Generation Geburtstagsparty: Feiern ohne Ende
Unsere Autorin wird mittlerweile zu Geburtstagen eingeladen, die mindestens ein Wochenende dauern – in Südfrankreich. Drehen jetzt alle durch?
D estination Weddings sind schon länger ein Trend. Ein Paar entscheidet, auf Ibiza, Korfu oder in der Toskana zu heiraten, woraufhin Familie und Freunde von weit her anreisen, teure Hotelzimmer bezahlen und ihren Urlaub um das Event herum planen müssen.
Als wäre das nicht pompös genug, schliddern jetzt Destination Birthdays in meinen Kalender. Mitte Januar wurde ich in eine Whatsapp-Gruppe eingeladen: Ich möchte meinen Dreißigsten mit euch feiern, wer kommt mit nach Südfrankreich? Eine Woche im September, ein Haus am Atlantik, bunte Getränke und gute Freunde. Und schon letztes Jahr feierte eine Freundin ihren 30. Geburtstag auf Mallorca. Sie mietete eine Finca, wir produzierten einen persönlichen Malle-Partyhit für sie, inklusive Liveauftritt im Garten. Unsere Freundin verdrückte ein paar Tränen.
Das Phänomen, den 30. Geburtstag wie einen Raketenstart zu zelebrieren, beobachte ich nicht nur in meinem Freundeskreis. Ich weiß von Feiern in Griechenland und den österreichischen Alpen. Oder es werden Kurztrips zu Geburtstagen verschenkt, nach Budapest, Riga, Bilbao. Dreht meine Generation langsam durch?
In den Zwanzigern waren wir zufrieden mit einer Decke im Park. Wir schleppten zwei lauwarme Kisten Bier auf eine Wiese, es gab Marmorkuchen, und das internationalste waren die Chips „Ungarisch“. Dann saßen wir auf dem Boden im Kreis und die Boombox spielte irgendeine Playlist, bis der Akku leer war. Man konnte zu spät kommen, kurz verschwinden, Freunde mitbringen. Man konnte spontan sein.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Jetzt: Commitment schon zum Jahresbeginn. Urlaub einreichen, Züge buchen, sonstige Reisepläne mit der Party verbinden. Weil mehrere Sommerurlaube sind auch nicht drin. Wer nicht am Strand feiert, verschickt Monate vorher ein „Save the Date“ für eine fette Party. Dann wird eine Location gemietet, werden DJs organisiert, wird ausgehandelt, wie viele hundert Euro an der Bar vertrunken werden müssen.
Mit den Partys ist es vielleicht so wie beim Sport. Wer einen Halbmarathon gelaufen ist, will beim nächsten Mal schneller sein, die eigene Bestzeit knacken oder sogar einen ganzen Marathon laufen. Man will immer ein bisschen mehr. Also kann man nicht jedes Jahr im gleichen Biergarten reservieren und einfach nur zusammensitzen. Das könnte ja langweilig werden.
Jetzt kommt es mir so vor, als wäre das Jahr gepflastert mit Freizeitstress. „Ich hätte so gerne mal ein freies Wochenende“, sagt ständig jemand. Einen gemeinsamen Termin finden? „Geht erst wieder im Oktober.“ In ein paar Tagen werde ich ein Jahr älter (29, fast egal) und zum ersten Mal überlege ich, ob ich den Tag einfach so vorbeiziehen lasse. Damit nicht schon wieder ein Fest die Freizeit meiner Freunde verstopft. Ich habe weder eingeladen noch irgendeine Vorstellung, was ich an diesem Tag machen will.
Verkleistert all diese fette Feierei meine Vorstellungskraft von meinem eigenen Geburtstag? Oder gehört das dazu, wenn man dreißig wird, so richtig zu übertreiben, weil man mit der Drei doch auf einmal ein Stück erwachsen ist? Ich frage Menschen, die die Dreißiger schon hinter sich haben, sie sagen: „So groß feiern, das ist doch obszön, erinnerst du dich an die 15 Blumensträuße auf der letzten Feier?“ oder „die Dreißig ist geil, endlich nehmen dich Leute ein bisschen ernst“. Offenbar hört der Hype auch wieder auf: „Mit vierzig fahren auch alle weg – aber allein“, wird mir gesagt.
Nicht falsch verstehen. Eigentlich mag ich Geburtstage sehr gerne, überrasche, backe Kuchen. Nur gerade ist es zu viel an Extravaganz. Momente verschwimmen, verlieren an Besonderheit. Vielleicht warte ich, bis die Feierwelle abebbt, und lade zu meinem 34. plötzlich riesengroß ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
taz besucht Maja T. exklusiv in Haft
„Ich werde vorverurteilt“
Krieg im Gazastreifen
Ist das ein Genozid?
Gefährliche Miet-E-Scooter
Der Wahnsinn muss endlich ein Ende haben
Geburtstagsgruß an J. K. Rowling
Ausschluss aus der Zaubergemeinschaft
Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen
Veröffentlichungsdatum fehlt bisher
Neonazis feiern Sonnenwende
Ein Feuer wie beim Führer