Gendersternchen in Bremerhaven: Krampfhaftes Festhalten

Die Fraktionsvorsitzenden von FDP, CDU und SPD in Bremerhaven rudern beim Genderbeschluss zurück. Die Erklärung offenbart ihre ewiggestrige Ideologie.

Ein "Besucher"-Schild, das mit einem handgeschriebenen Zusatz zum "Besucher:innen"-schild gemacht wurde

Eigentlich gar nicht so schwer: Sprache kreativ so gestalten, dass alle angesprochen werden Foto: Marijan Murat/dpa

Am Freitag hatten FDP, CDU und SPD ihren Beschluss verteidigt, der Bremerhavener Verwaltung Gendersternchen und Co. zu verbieten. Nach Kritik von allen Seiten ruderten sie am Montag zurück. Doch die Presseerklärung, mit der die drei Fraktionsvorsitzenden dies begründen, zeigt, dass es ihnen nicht um Barrierefreiheit geht, wie sie behauptet hatten. Es ist ihnen schlicht zu viel Gendergaga, wie schon anderen alten Männern vor ihnen.

„Wir haben uns in der Vergangenheit immer wieder darüber geärgert, dass es zwar viele Diskussionen und politische – teilweise ideologisch geprägte – Haltungen zu gendersensibler Sprache gibt“, entlarven sie sich selbst. Sie. Haben. Sich. Geärgert. Nicht darüber, dass Männer nach wie vor privilegiert sind und Sprache dies spiegelt. Nicht darüber, dass ihnen keine perfekte Lösung einfällt. Sondern über andere, die ihnen diese noch nicht präsentiert haben. Und dabei ideologisch argumentieren! Das machen ja immer die anderen. Hier: Feminist:innen, die für eine gerechte Sprache kämpfen. Und nicht etwa Sexisten, die sich ans generische Maskulinum klammern, obwohl ihnen Grammatik ansonsten egal ist.

Genüsslich listet die Erklärung die Vielfalt auf, mit der Sprache ausdrückt, dass es nicht nur handelnde Männer gibt, sondern auch Frauen sowie Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen lassen: Genderstern, Doppelpunkt, Unterstrich, Querstrich, … Der Verdacht der Herren Raschen, Hilz und Allers und vermutlich der Mehrheit ihrer Fraktionskolleg:innen: „Da wird ein teilweise krampfhafter Versuch unternommen, die vorhandene geschlechtliche Vielfalt abzubilden.“

Die Verwendung des Begriffs „krampfhaft“ spricht Bände. Vielen gilt er als Synonym von „feministisch“. Hier meint er alle, die im Sinne der Gleichberechtigung kreativ mit Sprache umgehen. Sie sollen sich also mal locker machen, es nicht übertreiben, die Kirche im Dorf lassen? Nein. Gendersternchen und Co. sind eine Zumutung, sorgen für Streit und auch für Probleme. Das ist gut, weil so für alle sichtbar wird, mit welchen Zumutungen sehr viele Menschen leben müssen.

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Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

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