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Gendermarketing bei SpielsachenSüßes Rosa, wildes Blau

Spielzeug in neutralen Farben ist selten geworden. Mit dem Gendermarketing gehen auch klare Rollenvorstellungen für Mädchen und Jungs einher.

Wild oder süß? Bei Katzen ist Rosa nicht so sehr mit Rollenbildern verbunden. Bild: imago/blickwinkel

NÜRNBERG dpa | Das Einhorn hat ein rosa Fell, das Spielzeughaus mit der lila Fassade steht neben dem knallpinken Roller, und selbst die Konstruktionsbausteine sind in einer Prinzessinnenkutsche verpackt. Keine Frage: Dieser Teil des Spielzeugladens ist den Mädchen vorbehalten. Nur wenige Meter weiter dominieren düstere und aggressive Farben das Bild – in der Jungenabteilung geht es mit Kampffiguren und Abenteuerwelten robuster zu.

Die fortschreitende Aufteilung der Spielzeugwelt in Jungs- und Mädchenprodukte spiegelt sich auch auf der derzeit stattfindenden Spielwarenmesse in Nürnberg wider. Bei Experten lässt sie sämtliche Warnglocken schrillen.

„Diesen Rückwurf auf einen geschichtlichen Status zu beobachten, den man bereits einmal überwunden hatte, löst in der Genderforschung Entsetzen aus“, sagt Susanne Wunderer, Expertin für geschlechtersensible Erziehung in Kindergärten. „Man ist wieder vor der Frauenbewegung angelangt.“

Seit etwa 15 Jahren nimmt das „Gendermarketing“ von Spielsachen massiv zu. Inzwischen werden auffällig viele Spielsachen, mit denen früher beide Geschlechter einträchtig gespielt haben, explizit als Mädchen- oder Jungenprodukte beworben und sind anhand der Aufmachung auf den ersten Blick zu unterscheiden. Die Farben an sich wären aus Sicht der Geschlechterforscher dabei nicht so dramatisch – wenn die Zuordnung nicht mit Bedeutung aufgeladen wäre.

Wild gegen süß

Spielzeug für Jungen wird mit Attributen wie aktiv, wild und mutig verbunden, Mädchensachen hingegen mit niedlich, süß und dekorativ. Während Jungs im Weltraum Abenteuer bestehen und als Ritter oder Detektiv für das Gute kämpfen, bekommen Mädchen Beautysalons, Shoppingcenter und Ponyhöfe als Spielumgebung angeboten.

„Damit sind Eigenschaften und letztlich Zukunftsmodelle verbunden: Das Mädchen, das sich mit seinem Aussehen beschäftigt, und der Junge, der sich für Technik interessiert“, kritisiert Buchautor Sascha Verlan. „Da wird ein 50er-Jahre-Ideal entworfen. Und zugleich werden Werte und Einstellungen vermittelt, was weiblich und was männlich ist.“

Dass die Industrie derart auf den Geschlechterzug aufspringt, ist für Verlan wenig überraschend. „Von der Marketingseite her mag es sinnvoll erscheinen, weil trotz der seit Jahren zurückgehenden Geburtenraten der Umsatz weiter gesteigert werden soll. Da ist es plausibel, wenn die Spielsachen in einer Familie nicht wie früher weitergegeben werden können, sondern so stark geschlechtsspezifisch aufgemacht sind, dass es für einen kleinen Jungen nicht denkbar ist, mit dem rosa Fahrrad seiner älteren Schwester zu fahren.“

Die Hersteller argumentieren oft, mit ihren spezifischen Angeboten den „natürlichen Bedürfnissen“ der Kinder nachzukommen. Wissenschaftler widersprechen jedoch: Es gibt kein „Rosa-Gen“. „Kinder wollen sich selbst und ihre Welt verstehen. Alles andere ist kulturell bedingt, nicht biologisch“, betont die US-amerikanische Forscherin Jo Paoletti von der University of Maryland.

Die Neugier ist am Anfang noch gleich

Durch Blicke, Gesten und Kommentare lernen Kinder extrem früh, welches Spielzeug ihnen zugedacht ist und welches Verhalten ihnen zugestanden wird. Auch Wunderer betont: „Alle Kinder kommen mit der gleichen Neugier auf die Welt. In die Richtung, in die man sie ermuntert, gehen sie weiter.“ Am Ende landen die einen in schlecht bezahlten Dienstleistungsberufen und die anderen auf gut dotierten Entwickler- oder Führungsposten.

Wunderer verweist auch auf die emotionalen Folgen stereotyper Geschlechterrollen: Mädchen dürfen nicht zu lebhaft sein. „Und Jungs wird das Gefühlsrepertoire, weinerlich und ängstlich zu sein, abtrainiert. Sie gelten sonst als Heulsusen.“

Ein Paradox, findet Stevie Schmiedel von der Kampagne „Pinkstinks“, die sich gegen überkommene Rollenbilder wendet. „Wir erwarten von Männern heute, dass sie stark im Haushalt und der Kindererziehung präsent sind, und gleichzeitig finden wir es völlig absurd, dass kleine Jungs mit Puppen spielen könnten - da haben wir gleich das Bild „homosexuell“ im Kopf.“

Was also sollten Eltern tun? Auf keinen Fall den Kindern die heiß erwünschte Prinzessin oder den Actionhelden immer verweigern, sind sich die Fachleute einig. Aber sich über deren Einfluss bewusst sein und gezielt auch andere Produkte schenken. „Wir müssen allen Kindern möglichst viele Erfahrungen ermöglichen“, betont Verlan, der das Buch„ Die Rosa-hellblau-Falle“ geschrieben hat. Seine Co-Autorin Almut Schnerring ergänzt: „Wir müssen den Blick auf unsere Kinder verändern, das Geschlecht hintenanstellen und deren individuellen Stärken und Interessen in den Vordergrund stellen.“

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6 Kommentare

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  • In der Kinderkleidungsabteilung bei Karstadt sieht es genau so aus: Rosa und Pink in der Mädchenabteilung - dunkle Töne in der Jungenabteilung!

     

    Es ist zum Kotzen!

  • "Expertinnen" wie Jo paoletti, ja ja... und das mit dem rosa Fahrrad seiner Schwester - die Begründung ist ja wohl ein Witz.

  • 6G
    63817 (Profil gelöscht)

    Die gleiche Agenturmeldung stand gestern schon im Tagesspiegel...

     

    Auch Wunderer betont: „Alle Kinder kommen mit der gleichen Neugier auf die Welt. In die Richtung, in die man sie ermuntert, gehen sie weiter.“ Ich frage mich, in welche Richtung Frau Wunderer ermuntert wurde, wenn Sie jetzt "Expertin für geschlechtersensible Erziehung in Kindergärten" ist.

     

    Ich war heute übrigens gerade in nem Kindergarten. Personal allesamt Frauen. Ein Mann rannte rum, das war der Maler, der die Decke streichen wollte. ("Decke weiß?")

  • 3G
    3310 (Profil gelöscht)

    Ist aber auch in Deutschland schon eine Weile so.

    Ich erinnere mich an eine Szene, in der ich Geschenke für die Kinder einer Freundin kaufen wollte.

    "Ich suche Spielzeug für zwei Kinder, 3 und 5 Jahre alt."

    (die Verkäuferin setzte sich in Bewegung auf die Vorschulkinderabteilung, ich folgte)

    "Junge und Mädchen?"

    ... (ich blieb stehen, die Verkäuferin auch)

    "Das ist unwichtig."

    (die Verkäuferin räusperte sich, drehte um und ging weiter)

    "Ich zeig' Ihnen was."

     

    Ich habe mich nicht gut beraten gefühlt ...

  • Wenn der "Rückwurf auf einen geschichtlichen Status" bei der "Genderforschung Entsetzen aus[löst]", dann liegt das daran, dass man ihn nicht wirklich überwunden hatte. Man hat nur geglaubt man hätte. Nun müsste man sich eigentlich fragen, wieso man sich geirrt und ob das vielleicht was mit einem selbst zu schaffen hat. Das aber führt zu Überforderung.

     

    Übrigens: Nicht nur das "Gendermarketing" von Spielsachen nimmt massiv zu. Was im Text mit "robuster" und "wild" verniedlicht wird (wahrscheinlich, weil man den großen, in Watte gepackten Mädchen und Jungen von heute nichts mehr zumuten darf), ist eine Zunahme gewaltverherrlichender Spielsachen. Vor allem in den Billig-Regalen der hellblauen Abteilung finden sich zuhauf Monster, Mutanten (gerne auch mit Technik-Komponente), Kampfjets, Flugzeugträger, Raumschiffe mit Bordkanonen und überhaupt Waffen aller Art. Ich denke, das das ziemlich praktisch ist für Leute, die sich ihrer Macht nicht wirklich sicher sind. Die Mädchen darf man nämlich nicht verheizen, wenn man den Nachschub für die Truppe sichern will.

     

    Sieht aus, als wären einige Gender-ExpertInnen echte Schmalspur-Politikbegeisterte. Außer diesem Rosa-Hellblau-Dings interessiert sie rein gar nichts an unserer Gesellschaft. Susanne Wunderer hat sicher recht: "Alle Kinder kommen mit der gleichen Neugier auf die Welt. In die Richtung, in die man sie ermuntert, gehen sie weiter." Am Ende landen die einen an der Front, die anderen in der Etappe. Zu schlecht bezahlt wird beides.

  • 3G
    3310 (Profil gelöscht)

    Kenne ich aus Großbritannien.

    Als ich da vor 30 Jahren in einen Spielzeugladen gegangen bin, wurde ich davon ebenfalls geradezu umgehauen. Damals war ich froh, dass Deutschland anders war.

    Aber da wir ja alles (schlechte) nachmachen, was aus dem englischen Sprachraum kommt (s. nächsten Absatz), war dies hier vorauszusehen ...

     

    Damals kannte ich u.a. diese Begriffe NICHT: Valentinstag, Halloween, Gentrifizierung

    Heute kriege ich runde Augen zu sehen, wenn ich davon erzähle: "Wie, es gab auch mal KEINEN Valentinstag? ... "

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