Gemeinschaftsschulen in Berlin: Bildungsmodell der Zukunft kommt nicht vom Fleck
Die Berliner Grünen fordern deutlich mehr Tempo beim Ausbau der Gemeinschaftsschulen. Bis 2031 soll sich deren Zahl mehr als verdoppeln.
„Unser Bildungssystem steckt teilweise noch im 19. Jahrhundert“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz, am Dienstag im Abgeordnetenhaus. Ihr Befund: „Die frühe Einteilung auf die unterschiedlichen Schultypen verschärft die anhaltende Bildungsungerechtigkeit und setzt Kinder unter Druck.“
Gemeinschaftsschulen sollen ein gemeinsames und inklusives Lernen von der 1. bis zur 13. Klasse ermöglichen. Nicht nur die Grünen, auch die Linken setzen sich seit Jahren für den Ausbau aus. Passiert ist trotzdem wenig. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden 2008 insgesamt elf Gemeinschaftsschulen eingerichtet, im kommenden Schuljahr werden es berlinweit gerade mal 27 sein. Geht es nach den Grünen, soll sich deren Zahl bis 2031 mindestens verdoppeln.
Zur Wahrheit gehört: Auch unter dem rot-grün-roten Vorgängersenat ging der Ausbau nur schleppend voran. Das Interesse der seinerzeit SPD-geführten Bildungsverwaltung galt als mäßig. Daran hat sich mit dem Wechsel des Hauses in CDU-Hand nichts geändert. Schwarz-Rot fehle schlicht der politische Wille, kritisiert der Schulexperte der Grünen-Fraktion, Louis Krüger.
Abbau von herkunftsbedingten Ungleichheiten
Am Dienstag stellten Krüger und Burkert-Eulitz eine von den Grünen in Auftrag gegebene Potenzialstudie zu Gemeinschaftsschulen vor. Matthias Sandau vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie, das die Studie durchgeführt hat, verweist dabei auf die klaren Vorteile der Schulform für die Bildung von Kindern und Jugendlichen, „insbesondere für Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien“.
Gemeinschaftsschulen würden effektiv Selektionsdruck, Segmentierung und herkunftsbedingte Ungleichheiten in der Bildung abbauen, ist Sandau überzeugt. Die Grünen begreifen das Papier auch und vor allem als Diskussionsanstoß. Gemeinschaftsschulen seien nun mal, so Burkert-Eulitz, „die Schule des 21. Jahrhunderts, die Schule der Zukunft – das wissen wir auch aus dem internationalen Vergleich“.
Bei der Linken rennen die Grünen mit ihrer Forderung offene Türen ein. Statt über die von CDU und SPD seit Jahren betriebene Bevorzugung der Gymnasien „Segregation und Leistungsdruck“ immer weiter zu verstärken, gelte es, Gemeinschaftsschulen gezielt zu fördern, und zwar in allen Berliner Bezirken, sagt Franziska Brychcy, die Bildungsexpertin der Linksfraktion, zur taz.
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