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Gelungener DiskurspunkSaboteure am Werk

Trümmer aus Hamburg haben genug vom Zynismus ihrer Generation. Die Band will den Diskurspop-Altvorderen auf die Pelle rücken.

Die Hamburger Band Trümmer: Maximilian Fenski, Paul Pötsch, Tammo Kasper (v.l.n.r.). Bild: Christoph Voy/Promo

Manchmal bricht Paul Pötsch seine Sätze kurzerhand ab. Dann hält er kurz inne, sucht nach einem anderen Dreh seiner Worte. „Ja, es muss doch irgendwie …“, „Nein, das kann doch nicht …“ lauten diese Fragmente etwa. Alles auf Anfang. Noch mal neu erfinden. Sich. Uns.

Pötsch, Sänger der jungen Hamburger Band Trümmer, sitzt gemeinsam mit Bassist Tammo Kasper auf der Außentreppe eines Kulturzentrums im Berliner Stadtteil Tempelhof, wo die Band gerade aufgetreten ist. Die beiden Musiker nippen am Post-Gig-Bier. Im Gespräch gelangen sie schnell zur Frage, um wen es sich denn bei Trümmer eigentlich handelt: Die einen erklärten das Trio schon zu legitimen Blumfeld-Erben, während andere ihnen vorwerfen, einen entsprechenden Habitus etwas zu offensiv nach außen zu tragen.

„Wichtig ist, dass wir eins zu eins meinen, was wir singen“, erklärt Pötsch. Er scheint einen Punkt am frühabendlichen Himmel zu fixieren, überlegt, ascht die Selbstgedrehte ab. „Wenn wir auf der Bühne stehen, dann sind wir das.“

Der schmale 25-Jährige – Sakko, labbriges T-Shirt, rötliche Strähne, die ihm ins Gesicht hängt – bricht die Authentizitätsdebatte, die nun einzusetzen droht, so schnell wieder ab, wie er sie begonnen hat, um über den zu stark ausgeprägten Zynismus der Generation der Twentysomethings zu lamentieren, einer Generation, der er und seine Mitmusiker angehören. Und fängt dann unvermittelt an, vom Gestus eines Rio Reiser zu schwärmen: „Der muss doch auch irgendwie auf heute übertragbar sein.“ Wo doch an jeder Ecke die Kacke am Dampfen sei, fügt Bassist Kasper sinngemäß hinzu.

Das Album

Trümmer (PIAS/Rough Trade) erscheint am 22. August. Live: 16. August Oer-Erkenschwick, „SSBO“, 22. August Köln, „c/o Pop“, weiter geht's im Oktober

Der Glaube an sich selbst

Man kann über Trümmer viel sagen, aber nicht, dass die Hamburger Band es sich einfach machen würde. Unterhält man sich mit ihnen, wirkt es, als kreise die Frage nach dem eigenen Kunst- und Politikverständnis ständig über ihrer Musik. Hört man die 13 Songs ihres nun erscheinenden gleichnamigen Debütalbums „Trümmer“, verstärkt sich dieses Bild: Hier ist eine Band auf der Suche nach ihrem Weg. Sie bringt dabei eine wichtige Eigenschaft mit: den unerschütterlichen Glauben an sich selbst.

Das Trio – neben Pötsch und Kasper ist der Schlagzeuger Maximilian Fenski fester Bestandteil, live werden Trümmer zusätzlich vom Band-Produzenten Helge Hasselberg unterstützt – gilt bereits seit Bandgründung 2012 als hoffnungsvoller Kandidat, wenn die Zukunft des deutschsprachigen Diskurspop verhandelt wird.

Zweifelsohne profitieren Trümmer davon, dass sich im deutschsprachigen Indiepop eine riesengroße Leerstelle ausgebreitet hat, unterhalb von Institutionen wie Tocotronic oder Mutter klafft eine Lücke. Wo Letztgenannte aber stets Metaebenen einbauen und Brüche spürbar werden lassen, wollen Trümmer nun einen sehr viel direkteren Weg einschlagen. Einen zu direkten vielleicht.

Aber bitte: Man sollte nun nicht erwarten, dass Trümmer, das noch entwicklungsfähige Hamburger Trio, diese Lücke mit links ausfüllt. Aber, wie zuletzt auch Messer oder Die Nerven, legen sie ein Debütalbum vor, das überhaupt erst mal wieder Lust auf deutschsprachige Popmusik macht. Mit den Chartsradio- und Talentshow-Universen haben Trümmer nichts zu schaffen.

Mit ihrem Debüt ist ihnen einfach ein gut rumpeliges Punk-Album gelungen. Thematisch setzt es sich vor allem mit dem Erwachsenwerden auseinander. Trümmer-Texte handeln viel von Anderssein und Distinktion, Zuständen, die als existenziell empfunden werden. „Emanzipation“ sagt Pötsch dazu.

Es dominiert dabei ein Verständnis von der hiesigen Gesellschaft, das man „Wir gegen sie“ nennen könnte und das etwas zu schlicht gerät. „Unsere Lügen sind wahrer / Als das, was ihr uns auftischt / Wir sind wie Geisterfahrer / Alles ist so, wie es ist.“ Oft finden sich in den Songtexten Momente des Werdens: „Wir suchen etwas, das es nicht gibt / Wir suchen etwas, denn wir sind verliebt / Vor uns ein Land wie ein Mosaik / Wir spüren etwas, das noch nicht geschieht“, singt Paul Pötsch in dem Song „In all diesen Nächten“.

Schutt und Asche

Musikalisch findet sich auf dem Debüt etwas mehr als nur gewöhnlicher Punk, es gibt Anleihen an Noiserock, Stücke mit Rockabilly-Einschlag und auch schlichte Rocksongs wie „Papillon“ – allein diese Bandbreite unterscheidet Trümmer von vielen deutschen Bands. Und damit gelingen ihnen auch geniale Hooklines: „Der Saboteur“ hat nicht nur im Titel eine schöne Beastie-Boys-Referenz, es ist denkbar straighter Punk, wie ihn die Beastie Boys zu Anfang ihrer Karriere ja selbst gemacht haben.

Mit „Wo ist die Euphorie?“ wagen Trümmer gar eine Ballade, ein Format, das man anderen Bands gerne per Dekret untersagen würde, bei Trümmer wird daraus ein Hit. Ein Hit, den Kitsch elegant umschiffend, dafür mit Joy-Division-artigem Pathos. Von der Stimmung her erinnert das Stück an „Never let me down again“ von Depeche Mode.

Für einen Moment blitzt da etwas auf, ein Versprechen – besser: eine Täuschung –, die nur ein Popsong erzeugen kann: das Gefühl, es gäbe kein Morgen. Besser noch, ein anderes Morgen. Wie es sich für ein Punkalbum – und für eine Band dieses Namens – gehört, sie will eben auch, zumindest rhetorisch, zerstören. Von „Schutt und Asche“ ist gleich im Auftaktsong zu hören, und in „Nostalgie“ textet Pötsch: „Ja, ich weiß, alles wird zugrunde gehen / Nein, ich habe damit gar kein Problem“.

Trümmer geht es darum, Gegenentwürfe zu konzipieren. „Unsere Musik soll Aufbruchsstimmung erzeugen“, sagt Pötsch. Ziemlich sicher sind sie sich, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist: Texte und Sound sind tatsächlich sehr eigenständig, am besten funktioniert die Musik da, wo sie eigene Geschichten erzählt, die keine simple Moral haben – siehe „Der Saboteur“. Mit den etwas zu stark romantisierenden Songs („Morgensonne“) tut man sich als Hörer hingegen schwer: Ein Zurück zu Rio Reiser ist zwar möglich, aber man lässt es lieber bleiben – es sei denn, man zitiert ihn.

Auch musikalisch sind einige Trümmer-Songs noch zu beliebig, man hätte sie gar nicht mehr unbedingt gebraucht auf dem Album („Zurück zum Nichts“). Das ändert nichts daran, dass Trümmer mit ihrem Debütalbum einen spezifischen Sound gefunden haben, musikalisch wie textlich, der einen gespannt erwarten lässt, was daraus noch wird.

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