Geleaktes NSA-Dokument: Whistleblowing 101
Eine NSA-Agentin verschickte geheime Papiere an „The Intercept“. Seit ihrer Festnahme wird einiges diskutiert – bis auf die Echtheit des Dokuments.
Reality Winner – nein, gewonnen hat die junge Frau nicht wirklich, der vorgeworfen wird, ein internes NSA-Dokument an Glenn Greenwalds Nachrichtenplattform The Intercept weitergegeben zu haben. Kein ganzer Tag verging zwischen der Veröffentlichung der Geschichte, wie der russische Geheimdienst vor der US-Wahl 2016 Zugriff auf Wahlcomputer gewinnen wollte, und der Festnahme der Verdächtigen Winner.
In dem fünfseitigen Dokument wird beschrieben, wie Hacker versucht hätten, über vorgespielte Identitäten vor allem in den Prozess der Verifizierung registrierter WählerInnen einzugreifen. Die Frage, ob der Angriff Erfolg hatte, bleibt unbeantwortet. Dass die Hacker im Auftrag des russischen Militärgeheimdienstes handelten, wird ohne weitere Belege in dem Dokument vorausgesetzt.
Reality Winner ist erst seit Februar dieses Jahres für eine Vertragsfirma der NSA tätig gewesen. Davor war sie mehrere Jahre Soldatin der US-Luftwaffe und dort laut ihren Eltern wegen ihrer Sprachkenntnisse in Farsi, Paschtu und Dari als Linguistin beschäftigt. Ein Motiv für die Weitergabe der NSA-Analyse ist bislang nicht bekannt. Sie soll das fragliche Dokument auf einem Drucker der NSA ausgedruckt und einen Scan der fünf Seiten anonym The Intercept übergeben haben.
Dieser Ausdruck könnte ihre schnelle Festnahme begünstigt haben, da darauf eine Markierung aus kaum sichtbaren gelben Punkten die Herkunft des Dokuments eindeutig darstellen sollen. Ob die NSA jedoch wirklich einer solchen Hilfestellung bedurft hätte, um die Verdächtige zu identifizieren, kann getrost angezweifelt werden. Schließlich soll Winner in einer anderen Sache mit The Intercept per Mail kommuniziert und von ihrem Dienstaccount aus als eine von nur sechs Personen das Dokument ausgedruckt haben; ein Vorgang, der sicher nicht unbemerkt geblieben wäre. Winner soll bei ihrer Festnahme gestanden haben.
Ein direkter Zusammenhang? Nebensächlich
Was kaum überrascht: WhistleblowerInnen müssen extrem achtsam mit Orginaldokumenten umgehen, sowohl in der Beschaffung als auch der Weitergabe, da ein anonymer Briefkasten und das Löschen einiger Metadaten offensichtlich nicht genügen, ihre Identität hinreichend zu schützen. Natürlich ist das auch eine Warnung für JournalistInnen, bei der Aufbereitung von Dokumenten sorgfältiger vorzugehen und technische Fußangeln, die ihre Quellen übersehen mögen, zu antizipieren.
Für jene, die die Einflussnahme russischer Dienste auf die US-Wahl und die mögliche Zusammenarbeit mit Trumps Wahlkampfteam untersucht wissen wollen, kommt das Leak sicherlich gelegen. Während die Anhörung des entlassenen FBI-Direktors James Comey am Donnerstag vor dem Geheimdienstausschuss des Senats ansteht und dort Fragen einer versuchten Vertuschung russischer Einflussnahme diskutiert werden, liefert ein Dokument wie das geleakte Futter für weitere Spekulationen, in welcher Art sich diese vermutete Einflussnahme materialisiert haben könnte.
Die Echtheit der Analyse steht dabei, anders als vielleicht kaum beweisbare einzelne Zeugenaussagen, außer Zweifel, ist die Festnahme Winners durch das FBI doch eine explizite Bestätigung des Sachverhalts. Ob es während den Ermittlungen nun gelingt, die beiden Enden des Fadens, Trump und Putin miteinander zu verknüpfen und ob ein direkter Zusammenhang überhaupt gegeben ist, bleibt fast nebensächlich.
Auch Trumps Legitimität leidet
Schließlich verfestigt sich der Eindruck in der Öffentlichkeit, dass die Störung des Wahlprozesses tatsächlich möglich sein könnte. Trump scheint diese fortschreitende Delegitimierung der demokratischen Institutionen kaum zu stören, hat er sie doch selbst mit seinem Gerede von Wahlbetrug zugunsten seiner Konkurrentin Hillary Clinton befeuert.
Jedoch könnte der Präsident sich Sorgen machen, dass seine persönliche Legitimität ebenfalls immer mehr in Zweifel gezogen und von den US-amerikanischen Geheimdiensten nicht enthusiastisch verteidigt werden wird. Denn das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und dem FBI dürfte ziemlich gestört sein – spätestens seit der Entlassung Comeys am 9. Mai, demselben Tag, an dessen Morgen Winner eine Handvoll Seiten durch einen NSA-Drucker in Georgia schickte.
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