Gelbwesten-Proteste in Frankreich: Geplante Ökosteuer ausgesetzt
Die französische Regierung gibt dem Druck der „Gilets jaunes“ nach. Die umstrittene Steuererhöhungen soll nun noch nicht Anfang nächsten Jahres kommen.
Der „Gelbwesten“-Vertreter Jean-François Barnaba sagte dem Sender France Inter, nötig seien breite Steuersenkungen sowie die Erhöhung von Löhnen und Renten, um den Franzosen wieder ein würdiges Leben zu ermöglichen. Viele Menschen müssten mit 800 bis 900 Euro im Monat auskommen. „So kann man nicht leben“, sagte der Aktivist aus dem zentralfranzösischen Indre.
Auch Teile der Opposition wiesen den Vorstoß der Regierung zurück. Von den konservativen Republikanern hieß es, der Aufschub für die Ökosteuer sei „absolut unzureichend“. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen erklärte, in dem Vorschlag zeige sich die „Verachtung“ der Regierung von Präsident Emmanuel Macron für die Franzosen.
Die Konservativen fordern ein Referendum als Antwort auf die „Gelbwesten“-Proteste, die Rechtspopulisten und die Linkspartei La France Insoumise (Das unbeugsame Frankreich) eine Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen.
Neben dem Aufschub für die Ökosteuer auf Diesel und Benzin will Philippe im Laufe des Tages noch weitere Zugeständnisse an die „Gelbwesten“ verkünden, wie ein Regierungsvertreter sagte. Auf die Maßnahmen hatten sich Teile des Kabinetts am Montagabend bei einer Krisensitzung unter Leitung Macrons geeinigt. Damit solle eine „beruhigte Debatte“ ermöglicht werden, sagte der Chef von Macrons Partei La République en Marche (Die Republik in Bewegung), Stanislas Guerini, dem Sender RTL.
Vermittlungsgespräch abgesagt
Ein ursprünglich für Dienstag geplantes Treffen zwischen Regierungschef Philippe und den „Gelbwesten“ findet dagegen nicht statt, wie das Büro des Premiers bestätigte. Vertreter der Protestbewegung hatten es kurzfristig abgesagt und dafür „Sicherheitsgründe“ angeführt. Sie seien von Hardlinern bedroht worden, weil sie mit der Regierung sprechen wollten.
Die Aktivisten haben keine Sprecher, die offiziell anerkannt oder durch eine Wahl legitimiert sind. Die „Gelbwesten“ arbeiten aber an einer gemeinsamen Liste für die Europawahl Ende Mai, wie ihr Vertreter Barnaba ankündigte.
Die Proteste gegen hohe Kraftstoffpreise, Steuern und Lebenshaltungskosten in Frankreich halten nun schon seit rund zweieinhalb Wochen an. Sie bringen Präsident Macron stark in Bedrängnis, die Aktivisten fordern bei Kundgebungen immer wieder lautstark seinen Rücktritt.
Macron fährt nicht nach Serbien
Macron sagte eine für das Ende der Woche geplante Serbien-Reise ab, wie aus Belgrad bekannt wurde. Am Mittwoch will sich die Nationalversammlung in einer Sondersitzung mit den Protesten befassen.
Für das kommende Wochenende sind neue Proteste unter anderem in Paris angekündigt, wo es am vergangenen Samstag schwere Ausschreitungen gab. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo bezifferte die Schäden in einer ersten Schätzung auf „drei bis vier Millionen Euro“. Darin sind nach ihren Angaben aber noch nicht die Schäden an Geschäften oder am Triumphbogen eingerechnet, die beschmiert und teilweise verwüstet wurden.
Am Montag wurden zwei „Gelbwesten“ wegen Ausschreitungen in der zentralfranzösischen Stadt Puy-en-Velay zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Dort war am Samstag die Präfektur in Brand gesetzt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels