: Gelbe Steppe über weißblauem Himmel
■ Gebäude düsen über Stadtlandschaften und öde Prärie hinweg – Die fliegenden Häuser Peter Garfields sind zum ersten Mal in Deutschland in der Galerie Kapinos zu sehen
Im Katastrophen-Thriller „Twister“ fliegen Laster, Kühe und von der Windrose kleinteilig zerpflückte Gebäude durch die Lüfte. Aber ganze Häuser? Die zeigt Peter Garfield in den Fotografien seiner Serie „Harsh Realty“ in der Galerie Kapinos erstmals in Deutschland.
Die Bilder wirken wie Schnappschüsse eines Amateurs, verwackelt, mal verschwommen, manchmal scharf. So sehen viele amerikanische Ufo-Fotos aus: The truth is out there. Und dort können eben auch ganze Vorstadt-Reihenhäuser, herausgerissen aus ihren Fundamenten, gen Himmel fliegen. Mitunter kann man noch Reste von Erde oder Beton sehen, mal brennt Licht, mal ist eine ganze Flanke offen. Die Gebäude düsen über Stadtlandschaften oder öde Prärie hinweg. Auch wenn alle Objekte von unten gen Himmel aufgenommen scheinen, ist nie klar, ob sie gerade aufsteigen oder – wie Meteoriten – nach unten fallen.
Egal, denn das alles ist hübsch anzusehen: Unten ein bißchen gelbe Steppe, darüber unendlich weit der weißblaue Himmel und am oberen Bildrand ein Häuschen mit weißen Außenwänden und schwarzem Dach. Fehlt eigentlich nur noch die kleine Dorothy aus dem Märchen „The Wizard of Oz“, die uns aus einem Fenster zuwinkt. So friedlich wirken die Farbaufnahmen – bis die Idylle jäh unterbrochen wird: Zwei Arbeiten, viel größer als die anderen und in Schwarzweiß, zeigen ein Haus, das gerade dabei ist, sich in alle Bestandteile aufzulösen, die Fetzen fliegen wie nach einer Detonation.
Ganz schön viel Aufwand für Kunst. Unsinnige Verschwendung von Ressourcen gar? „The payoff just doesn't justify the investment“, befand jedenfalls Ken Johnson, renommierter Kritiker der New York Times.
Peter Garfield, Jahrgang 1961, will den Betrachter mit seinen Arbeiten – ähnlich wie Chris Wilder mit seinen Ufo-Dokumentationen – dazu anregen, „über seine Beziehung zur Realität nachzudenken“. Wer Aufklärung über die „Harsh Realty“ finden will, ist gut beraten, nach dem Galerierundgang den kleinen, aber aussagestarken Katalog zur Hand zu nehmen. Die Ausstellung ist übrigens die letzte in der Gipsstraße 3, die Galerie Kapinos zieht um und eröffnet im September neue Räume in der Münzstraße 19. Andreas Hergeth
Bis 22. Mai, Di.–Fr. 13–19 Uhr, Sa. 13–18 Uhr, Kapinos, Galerie für zeitgenössische Kunst, Gipsstraße 3
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