: Geiseln auf Jolo laufen einfach weg
Ganz ohne libysches Lösegeld entkommen zwei entführte französische TV-Journalisten den Abu-Sayyaf-Rebellen auf Jolo und entziehen damit der scharfen Kritik Frankreichs an der laufenden Militäroffensive der philippinischen Armee die Grundlage
von JUTTA LIETSCH
Zwei französische TV-Leute, die seit zehn Wochen auf Jolo in Geiselhaft waren, sind seit gestern wieder frei. Philippinische Militärs fanden den 46-jährigen Kameramann Jean-Jacques Le Garrec und den 49-jährigen Tontechniker Roland Madura am frühen Morgen an einer Straße außerhalb der Inselhauptstadt und brachten sie in Sicherheit. Bereits wenige Stunden später präsentierte der sichtlich erfreute philippinische Präsident Joseph Estrada die beiden Ex-Geiseln in Manila den Journalisten.
Kameramann Le Garrec beschrieb die dramatischen letzten Stunden der Gefangenschaft. Vier Tage lang waren die Geiseln mit ihren schwer bewaffneten Entführern vor der Offensive der philippinischen Armee von Versteck zu Versteck geflüchtet. Als ihre Bewacher am Dienstagabend einmal abgelenkt waren, wagten die beiden Franzosen kurz entschlossen die Flucht. „Alle hatten Angst, weil wir beim Überqueren der Straße vom Militär gesehen werden konnten. Und in dem Durcheinander ergriffen wir die Gelegenheit und sprangen zur Seite“, erzählte Le Garrec. Die beiden Franzosen versteckten sich im Unterholz. Als es hell wurde, liefen sie an der Straße entlang – in die verkehrte Richtung, weg von der Hauptstadt. Als sie einen Militärkonvoi sahen, sprangen sie erleichtert auf die Fahrbahn. Ihre Gefangenschaft war zu Ende.
Schon am frühen Mittwochmorgen rief Präsident Estrada seinen französischen Amtskollegen Jacques Chirac an und überbrachte ihm die gute Nachricht. Chirac hatte die philippinische Regierung nach Beginn der Offensive zunächst scharf kritisiert. Jetzt bedankte sich Chirac höflich für die Rettung seiner Landsleute.
Estrada betonte, das Militär werde weiter alles dafür tun, die „restlichen 17 Geiseln zu retten“. Inzwischen halten „Commandant Robot“ und andere Anführer der Abu-Sayyaf-Splittergruppen neben dem US-Amerikaner Schilling noch den Tauchlehrer Roland Ullah, zwölf evangelische Fundamentalisten und drei Malaysier fest. Über das Schicksal von drei entführten „Zwangsbräuten“ ist nichts bekannt.
Da die philippinischen Behörden seit Beginn des Militärschlags eine Nachrichtensperre verhängt haben, dringen bislang nur wenige Nachrichten aus Jolo nach außen. Nach offiziellen Angaben hat es bisher kaum Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben. Lokalreporter bezweifeln dies. Tausende Dorfbewohner haben in Moscheen und Schulen Schutz gesucht. Das Militär soll einen Ring um die Hauptstadt Jolo gelegt haben, um zu verhindern, dass zu viele Flüchtlinge in den Ort vordringen.
Die Lage scheint weiter zu eskalieren. Gestern Morgen explodierte im Hafen von Zamboanga, dem militärischen Zentrum der Region, drei Bootsstunden von Jolo entfernt, ein Sprengkörper auf einer Fähre aus einer Nachbarinsel. Dabei kam offenbar der Bombenleger selbst ums Leben, mehrere Passagiere wurden verletzt. Die Polizei gab die Festnahme von zwei Abu-Sayyaf-Mitgliedern im Stadtgebiet von Zamboanga bekannt.
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