Geiseldrama in Bagdader Kirche: Fast 60 Menschen getötet

Führte erst die Befreiung der Gemeinde durch die Polizei zur Eskalation? Die Kidnapper wollten angeblich muslimische Frauen aus den Händen ägyptischer Christen freipressen.

Gemeindemitglieder tragen den Sarg eines Opfers aus der Sayidat-al-Nejat-Kirche in Bagdad. Bild: dpa

Es war einer der Fälle, bei denen am Ende unklar ist, ob mehr Menschen durch die Hände der Geiselnehmer oder durch die Befreier gestorben sind. Nur dass am Ende fast 60 Menschen starben, das wurde amtlich.

Irakische Sicherheitskräfte hatten am Sonntagabend eine der größten katholischen Kirchen im Zentrum Bagdads gestürmt, nachdem sich dort bewaffnete Geiselnehmer vier Stunden lang verschanzt und über hundert christliche Gemeindemitglieder als Geiseln genommen hatten. Die Geiselnehmer trugen Sprengstoffwesten und hatten Granaten dabei. Diese zündeten sie, als die Sicherheitskräfte die Kirche stürmten.

Begonnen hatte der Albtraum bei der Abendmesse, als mehrere Bomben auf der Straße vor der Kirche detonierten, Schwerbewaffnete die Kirche stürmten und den Priester erschossen. "Wir konnten nicht warten, da die Terroristen geplant haben, unsere christlichen Brüder in der Messe zu töten", rechtfertigte Iraks Verteidigungsminister Abdel Kader al-Obeida die Befreiungsaktion. Sein Fazit: "Die Operation war erfolgreich. Alle Terroristen sind tot."

Yunadem Kana, ein christliches Mitglied des irakischen Parlaments, bezeichnete dagegen die Befreiungsaktion als "unprofessionell". Es sei eine überhastete Aktion gewesen, sagte er. Er könne nicht sagen, ob die Gläubigen in der Kirche durch die Kugeln der Sicherheitskräfte oder durch die der Terroristen umgekommen sind. "Das Einzige, was wir wissen, ist, dass die meisten während der Befreiungsaktion starben", sagt er.

Widersprüchliche Berichte gibt es auch über die Zahl der Geiselnehmer. Neun seien getötet worden, teilte das irakische Militär mit. Das US-Militär, das bei der Befreiungsaktion Luftaufnahmen zur Verfügung gestellt hatte, spricht von fünf oder sieben Geiselnehmern.

Die irakische Fernsehstation al-Baghdadia behauptet, sie habe einen Anruf von den Geiselnehmern aus der Kirche erhalten, bei dem die Freilassung aller Al-Qaida-Gefangenen im Irak und in Ägypten gefordert wurde. Auch im Internet tauchte eine kryptische Erklärung auf, in der sich die Al-Qaida-nahe Organisation "Der Islamische Staat im Irak" für die Geiselnahme verantwortlich zeichnet. Man werde alle Christen im Irak und in Ägypten auslöschen, wenn zwei muslimische Frauen in Ägypten nicht innerhalb von 48 Stunden aus den Händen der Kopten, einer christlichen altorientalischen Kirche in Ägypten, befreit würden.

Dies ist eine Referenz auf mehrere bizarre Fälle, die derzeit in Ägypten großes Aufsehen erregen. Zwei koptische und mit Priestern verheiratete Frauen sollen zum Islam übergetreten sein, weil ihre Kirche den Kopten eine Scheidung untersagt, so die Behauptung aus muslimischen Kreisen. Von koptischer Seite heißt es, die Frauen seien entführt worden. Beide tauchten später bei der Polizei auf und sagten, sie seien niemals konvertiert. Anschließend sollen sie in abgelegenen Klöstern versteckt worden sein. Seitdem vergeht in Kairo und in Alexandria kein Tag, an dem Muslime nicht für die "Befreiung der Frauen" demonstrieren. Der koptische Bischof Murqus erklärte am Montag, die Drohung der Geiselnehmer aus Bagdad sei nicht nur gegen die koptische Kirche, sondern gegen die Sicherheit Ägyptens gerichtet sei. Zusätzlichen Schutz hätten die Kirchen und Klöster nicht angefordert.

Papst Benedikt XVI. verurteilte den Angriff auf die Kirche in Bagdad am Montag als "absurde Gewalt". Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, drückte seine Bestürzung aus.

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