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Geht‘s noch?Ins Hinterzimmer, verdammt!

Bundestagsabgeordnete wollen nicht sagen, welchen Lobbyisten sie Einlass gewähren – und schaden so dem zwielichtigen Milieu

Das Bashing gewählter Abgeordneter ist das verbindende Moment quer durch alle ­Bevölkerungsschichten. Wer ­mal wirklich Avantgarde sein will, sage den Satz: „Ich finde, unsere Politiker machen ihren Job eigentlich sehr ordentlich.“ Einer der Gründe dafür ist ohne Zweifel das anrüchig und mafiös erscheinende Lobbyistensystem.

Und dann das: Das Internetportal Abgeordnetenwatch.de fragte, warum es – neben den ordnungsgemäß angemeldeten und öffentlich einsehbaren gut eintausend Lobbyisten – noch mal etwa genauso viele gibt, die im Bundestag ein und aus gehen, die aber nirgends aufgeführt sind.

Die Antwort: Weil sie ihre Hausausweise direkt von den Frak­tions­geschäftsführern bekommen. Das Portal klagte erfolgreich auf die Herausgabe der Lis­te – das Parlament legt jetzt Berufung ein.

Warum zum Teufel soll partout nicht verraten werden, wer da, so die Begründung, „nicht zuletzt im Interesse des Parlaments den Bundestag häufig aufsuchen muss“?

Weil es der Pizzabote ist, dem die lästigen Kontrollen erspart bleiben müssen, damit das Essen nicht kalt wird? Oder der Mann vom Getränke­lieferservice, der wöchentlich mit dem Karton der Preußischen Spirituosenmanufaktur Einlass ins Büro der Fraktionsvorsitzenden begehrt? Weil der Escortservice sich schlecht macht auf der Liste?

Wenn das Koks alle ist oder der Vertreter irgendeines Schurkenstaats den nächsten Deal einfädeln will – können die sich nicht einfach, wie es sich gehört, in zwielichtigen Bars oder Hinterzimmern treffen? Man weiß doch, wie so was geht, oder nicht? Eine ganze Zulieferindustrie vom Hersteller toter Briefkästen bis zum unauffälligen Türsteher lebt doch davon! Das sind doch auch alles Arbeitsplätze!

Politisch instinktlos ist die Berufung in jedem Fall. Da müssen sich Politiker wirklich nicht wundern, wenn ihre Sympathiewerte noch weiter in den Keller gehen. Und am Ende bei der unbeliebtesten Berufsgruppe überhaupt ankommen: den Journalisten. Wir wissen, wie hässlich das ist, wenn einen wirklich keiner mehr mag. Wir haben euch gewarnt! Heiko Werning

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