■ Soundcheck: Gehört: Zeena Parkins' Musique des Images und Sebadoh
Gehört: Zeena Parkins' Musique des Images. Seit ihrer Mitwirkung in Elliott Sharps Band Carbon ist die New Yorker Harfenistin als moderner Racheengel ein Begriff. Ihr vollelektrifiziertes Instrument traktiert sie aber noch in zahlreichen anderen Bands. Mit ihren Schwestern Andrea (Akkordeon, Sampler) und Margaret (Cello) sowie Susan Ibara (Schlagzeug) führte sie jetzt Musique des Images auf, verwegene Tonspuren zu ausgesuchten Beispielen früher Filmkunst – und verwandelte das Westwerk damit in eine Ahnengalerie der Avantgarde. Die Filme von Maya Deren aus den vierziger Jahren, vor allem aber Germaine Dulacs La Coquille et le Clergyman (Drehbuch: Antonin Artaud) von 1928, kommen heute auf fast rührende Weise surreal daher. Kleines Kino großer Mensch-heitsträume, unschuldige Vorfahren heimtückischer Werbespots? Die Musikerinnen taten gut daran, sich und das Publikum auf die jeweils markanten Grundstimmungen einzuschwören, nur vereinzelt wurden die Leinwandpointen simultan in Musik überführt. Zu konstatieren, daß man sich mit Bild und Ton im gleichen Jahrhundert befand, bedeutete oft schon Spannung genug.
Darauf baute diese vehemente Kammermusik auf, blieb dabei stets roh genug wie die Filmschnitte und zankte nach Herzenslust mit der hemmungslosen Künstlichkeit der immer wiederkehrenden Traumsequenzen: zwei Sparten in furchtloser Koexistenz – und nicht in gutgemeinter gegenseitiger Bemäntelung wie etwa bei der Buster-Keaton-Filmmusik von Bill Frisell. Surrealismus ist nicht tot, er riecht nur etwas streng, könnte man in Abwandlung eines Zitates von Frank Zappa bilanzieren und hätte damit einem weiteren, wenn auch geheimen Schutzheiligen dieses Abends die Ehre erwiesen. Andreas Schäfler
Gehört: Sebadoh. Lou Barlow, der „Haupt“-Sänger von der Gruppe Sebadoh, ist schon ein seltsamer Mensch. Hinter einer collegeboyartigen Unauffälligkeit verbirgt sich eine trotzig-aufwieglerische Tendenz zu gezielten Mißverständnissen. So zumindest am Mittwoch in der Markthalle, wo Lou Barlow sich scheinbar grundlos mißverstanden sehen wollte von einem Publikum, welches sich daraufhin tatsächlich mißverstanden fühlen durfte. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei aber zunächst erwähnt, daß es solche zumindest bezüglich des Musikalischen nicht geben konnte, denn Sebadoh erzeugten mit dem Minimalequipment von Baß, Gitarre und Schlagzeug beeindruckend volltönende und dennoch differenzierte Klanggebilde schrabbelig-schönen Noise-Pops in feinstem Sound.
Fetziges blieb jedoch in der Minderheit, und Besinnlich-Ruhiges dominierte.
„Kein Tanzen bei Sebadoh", kommentierte Lou Barlow die folgliche Andächtigkeit der Zuschauer, dabei zugleich seine Deutschkenntnisse wiederauffrischend: „Heute will ich mein Deutsch üben, thank you.“ Irgendwann mutierte die unprätentiöse Selbstironie dann jedoch zu einer Art sarkastischer Interaktionsstörung mit dem Wunsch, dem Publikum Desinteresse und Antipathie zu unterstellen.
„I hate you as much as you hate me“, „Come up here and fight“. Vielleicht hat Barlow ja recht, wenn er singt: „I need some social medicine.“ Vielleicht verabreichte er aber auch gerade die Sozialmedizin gegen eine Idee vom Rockkonzert, das reibungslos zu unterhalten hat. Was umso besser unterhält.
Christian Schuldt
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