Gehörlosen-Parade: Taub, aber nicht sprachlos
Mit einer Parade ziehen Gehörlose durch Berlin-Mitte. Neues Selbstbewusstsein in Türkis.
Eigentlich sind Demos Alltag in Berlin. Selten aber hat ein Aufzug derartiges Staunen ausgelöst wie die Türkisparade. Ohne gesprochene Worte, aber mit wummernden Bässen demonstrierten hunderte Gehörlose am Samstag durch Mitte.
Schon bei der Auftaktkundgebung am Potsdamer Platz ist nichts wie sonst. Die Teilnehmer scharen sich um die Längsseite eines Trucks, um die Redner gebärden zu sehen. Immer wieder brandet Applaus auf - kein Klatschen, sondern kollektiv in der Luft geschüttelte Hände. Eine Dolmetscherin übersetzt per Mikro für die verdutzten Passanten: "Hoch lebe die Vielfalt! Wir sind hier für Toleranz und Gemeinschaft."
Dann setzen dicke Elektrobeats ein, auf der Straße wird zu den spürbaren Bässen genickt, zwei Frauen rappen auf dem Truck in Gebärdensprache, daneben wird getanzt. Loveparade-Stimmung. Vorneweg setzt sich eine taube Trommelgruppe in Bewegung, ein Mann mit Basecap wirft den Takt mit seinen Armen in die Luft. "Wir sind taub, aber nicht sprachlos", wippt einer mit Schild mit. Dann zieht der Treck zum Alexanderplatz.
Die Community feiert sich selbst: Schüler, Familien, Senioren mit Schnauzer sind gekommen, auch eine Dragqueen. Die meisten tragen Türkis. "Unser Symbol für eine vereinte, selbstbewusste Taubengemeinschaft", erklärt gebärdend Organisator Andreas Bittner vom Gehörlosenverband Berlin. "Wir wollen uns nicht verstecken, wollen die Gebärdensprache als vollwertige Sprache und eigene Kultur zeigen." Er habe viele strahlende Passanten gesehen, freut sich Bittner. "Die Premiere ist gelungen, nächstes Jahr gibts die Parade wieder."
Julia Schülner ist mit ihrer Gehörlosenklasse aus Kassel angereist, sieben Neuntklässler. "Ich will ihnen zeigen, dass sie nicht allein, sondern Teil einer lebensfrohen Minderheit sind." Eine Touristin ist begeistert: "Super, die lassen sich nicht unterkriegen, sondern machen ihre eigene Party."
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