: Gehobene Aufmerksamkeit
Neue Symbiose zwischen Natur und Kunst: Der japanische Künstler Rikuo Ueda fängt nicht nur den Sturm in Tüten, sondern zeichnet per Automatismus Windbewegungen von Bäumen und Sträuchern auf Papier und Radierplatte
In der Nässe leerer Straßen glitzert die Leuchtreklame, die Wellen schlagen hoch, im Radio laufen Taifunwarnungen. Doch Rikuo Ueda fährt zum Strand und fängt den Sturm in kleinen Plastiktüten.
Nicht immer sind die Aktionen des japanischen Künstlers so dramatisch, meist baut er zart konstruierte Vorrichtungen, mit denen der Wind dazu gebracht werden kann, Zeichnungen anzufertigen. In der Eröffnungsausstellung der neuen Galerie CAI – Contemporary Art International am Klosterwall zeigt ein Video frühere Aktionen. Außerdem steht dort ein Koffer mit weltweiten ,,Windproben“, und eine große Zeichenmaschine reagiert auf den Luftzug der draußen vorbeifahrenden Züge. Sie schreibt die Bewegungsspuren an die Wand.
Meist aber sind es Bäume und Sträucher, deren Bewegungen im Wind auf Papier oder Radierplatte erfasst werden. An den Spitzen eines Astes Tuschpinsel so zu befestigen, dass auf dem geeignet dagegen montierten Papier verschieden dichte Bewegungsspuren entstehen, das erinnert an Landschaftstuschen, in denen kalligraphische Striche zu Bambusblättern und Wassertropfen werden.
Doch nicht mit der traditionellen Landschaftsmalerei setzt sich Rikuo Ueda auseinander, sondern eher mit der Teezeremonie. Denn es gilt, besondere Aufmerksamkeit auf alltägliche Dinge zu richten. In der Ausstellung ist ein Modell eines fünf Meter hohen, offenen Gebäudes zu sehen, in dem der Künstler als Teemeister die Zeremonie durchführt, während eine seiner Windzeichenmaschinen ein Bild für den Tee-Partner erstellt.
So traditionell japanisch dies alles erscheint, der 51-jährige Rikuo Ueda lebt mit etwa zwanzig internationalen Ausstellungen im Jahr nicht so beschaulich, wie man vermuten möchte und inzwischen ohnehin mehr in den USA und Europa, als in seiner Heimat. Gerade hatte er, als schon siebter Künstler aus Osaka, für zwei Monate ein Gaststipendium in Hamburg. Er arbeitete im Spritzenhaus und ließ den großen Ahorn vor der Kunsthalle oder die Schafgarbe im Bambuswald auf der Verkehrsinsel zwischen Kunstverein und Deichtorhallen Nordwestwindbilder zeichnen.
Die Charakteristika des Herkunftslandes lernt man ja oft erst in der Fremde zu schätzen. So geht es auch Mikiko Sato, der jungen Leiterin der neuen Galerie. Als sie vor zehn Jahren nach Deutschland kam, war sie froh, die intellektuelle Enge im ländlichen Nordjapan zu verlassen. Erst in hiesigen Museen begeisterte sie sich für die Kunst und begann Ausstellungen und Tourneen zu organisieren, so 1999 Immaculate Concept, eine Performance im Alten Elbtunnel oder letztes Jahr 43 Grad Nord, eine der letzen großen Ausstellungen in K3 auf Kampnagel mit Kunst von Japans Nordinsel Hokkaido. In Zusammenarbeit mit dem CAI – Contemporary Art Institute in Sapporo ist Mikiko Sato nun das Wagnis eingegangen, mit der CAI-Gallery die schwächelnde Hamburger Kunstmeile zu beleben. Hajo Schiff
Rikuo Ueda – Wind Drawing : CAI, Contemporary Art International, Galeriehaus Hamburg, Klosterwall 13; Di–So 12–18 Uhr; verlängert bis Ende Juli
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