Geher gibt sich selbst Goldmedaillen: Die Zeit nehm ich mir
Der australische Geher Jared Tallent wurde mehrfach Zweiter – auch bei Olympia. Goldmedaillen bekommt er nun Jahre später. Warum nur?
Jared Tallent wollte nicht warten bis zum 17. Juni. In drei Wochen bekommt er höchst offiziell in Melbourne eine Goldmedaille um den Hals gehängt, eine verspätete Plakette, die er vom Russen Sergei Kirdjapkin erbt, aber gestern inszenierte der australische Geher schon mal eine Siegerehrung in seinem Garten.
Zu hymnischen Klängen marschieren eine Hostess mit der Medaille sowie der schmächtige Athlet ein. Tallent, der eine knallgelbe Trainingsjacke trägt, winkt einem imaginären Publikum zu. Ein Sprecher aus dem Off kündigt den „Goldmedaillengewinner aus Australien“ an. Der 31-Jährige steigt auf ein improvisiertes Podium und lässt sich die Medaille umhängen.
Es ist nicht ganz klar, ob sich der Ausdauerspezialist in seinem Video auf den Fall Kirdjapkin bezieht, den Schummel-Olympiasieger von London über 50 Kilometer, oder auf einen anderen, denn der Australier Tallent ist mehrmals hinter Dopingsportlern ins Ziel gekommen. Bei den Sommerspielen von London vor vier Jahren war es eben jener Kirdjapkin, der im Nachhinein gesperrt wurde. Der Russe war im Januar 2015 wegen auffälliger Werte in seinem biologischem Pass rückwirkend zum 15. Oktober 2012 für 38 Monate gesperrt worden. Der internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne hatte dieses Urteil unlängst bestätigt.
Aber auch bei den Olympischen Sommerspielen in Peking 2008 hatte Tallent hinter dem Italiener Alex Schwazer Platz zwei belegt – und es kam, wie es kommen musste: Schwazer wurde später des Dopings überführt und fast vier Jahre gesperrt. Damit nicht genug, landete Tallent bei der Weltmeisterschaft 2011 in Daegu hinter den Russen Sergei Bakulin und Denis Nischegorodow auf Platz drei. Vorläufig.
Die dritte Goldmedaille ist möglich
Bakulin wurde im März dieses Jahres vom Cas disqualifiziert, Nischegorodow gehört nach russischen Medieninformationen zu jenen 14 russischen Sportlern, die bei nochmaligen Tests der Dopingproben von Peking positiv getestet wurden. Wenn das bestätigt wird, ist es das dritte Gold, das Tallent in größerer zeitlicher Distanz zum Wettkampf erhält. Sollte er künftig wieder nur eine Silbermedaille gewinnen, dürfte er sich sagen: Ruhig bleiben, die Zeit wird’s richten!
Passiv verhält sich der Australier deswegen aber noch lange nicht. Immer wieder hatte er sich deutlich gegen einen Olympiastart der russischen Leichtathleten in Rio de Janeiro ausgesprochen: „Es gibt Diskussionen, dass ihr Bann aufgehoben wird. Es wäre unheimlich enttäuschend, wenn das passiert. Ich bin strikt gegen einen Start Russlands“, sagte er. Tallent hofft, dass der internationale Leichtathletikverband IAAF und das Internationale Olympische Komitee „stark bleiben“.
Der russische Gehertrainer Viktor Tschegin ist nach den Dopingsperren gegen mehrere seiner Athleten lebenslang gesperrt worden, doch russische Leichtathleten haben sich in einem Brief an Präsident Wladimir Putin für den Trainer eingesetzt. Der Kremlchef solle helfen, den „guten Namen und das sportliche Erbe“ des Coaches zu bewahren. Zu den Unterzeichnern gehört auch Sergei Kirdjapkin. Die Autoren des Briefs an Putin würdigten Tschegin als „großen Trainer und echten Patrioten“. Die Rusada, also die russische Antidopingagentur, habe unter „riesigem internationalen Druck“ eine „politische“ Entscheidung getroffen, kommentierten die Athleten.
Sergei Kirdjapkin ist nach Ablauf seiner Dopingsperre wieder in den Kader der russischen Nationalmannschaft aufgenommen worden. Er könnte, wenn es ganz blöd läuft, in Rio auf Jared Tallent treffen. (mit dpa)
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