Geheimdienst präsentiert Jahresbericht: Salafisten helfen Verfassungsschutz
Innensenator Frank Henkel stellt neuen Verfassungsschutzbericht vor - und sieht diesen als Beweis, warum es den Geheimdienst weiter brauche.
Ja, gesteht Innensenator Frank Henkel (CDU), der Verfassungsschutz habe mit der NSU-Terrorserie Vertrauen verloren. Ja, die Behörde müsse transparenter werden. Und ja, es müsse einen verbesserten Austausch zwischen Bund und Ländern geben. Aber den Geheimdienst an sich in Frage stellen? „Nein“, sagt Henkel, „wir brauchen weiter einen starken Verfassungsschutz.“
Seit Bekanntwerden des NSU-Terrortrios diskutiert das Abgeordnetenhaus diese Existenzfrage. Am Mittwoch konterte Henkel mit dem gerade veröffentlichten Jahresbericht des Geheimdienstes. Der, so Henkel, zeige, dass die „Feinde der demokratischen Grundordnung ungebrochen aggressiv auftreten“.
Laut dem Bericht verschmilzt bei den Berliner Rechtsextremen die Szene zu einem informellen Netzwerk, in das auch die schwächelnde NPD eng eingebunden ist. Die Zahl ist stabil: 1.380 Neonazis zähle die Stadt, 650 seien gewaltbereit. Die Rechten um dieses Netzwerk seien ideologisch gefestigt und „zunehmend aggressiv“. 1.325 rechte Straftaten zählte die Polizei 2012 - 11 Prozent mehr als im Vorjahr.
Laut Verfassungsschutz werden in Berlin keine Burschenschaften beobachtet. Für rechtsextreme Gedankengut gebe es dort bisher keine Anhaltspunkte. Die Grünen hielten dem großdeutsche und revanchistische Bemerkungen aus dem Dachverband entgegen, dem hiesige Verbindungen angehören.
Erstmalig widmet sich der Bericht ausführlich Berliner Rechtspopulisten. Der Name "Pro Deutschland" fällt nicht, gesprochen wird aber von einer Partei, die "dezidiert islamfeindliche Propanda" mache. Henkel kündigte an, den Misstönen "entschieden entgegenzutreten". (ko)
Auch auf der linken Seite wollte Henkel „keine Entwarnung“ geben. Hier stieg die Szene um 40 Mitglieder auf 2.460 Linksextreme. Zwar seien linke Straftaten um ein Drittel gefallen, von 1.361 auf 866, die Gewalttaten sogar um die Hälfte. Die Schwere der Taten habe aber zugenommen, so Henkel. Er nannte „brutale Übergriffe“ von Kleingruppen auf Polizisten und Angriffe auf als „Gentrifizier“ verortete Bauprojekte.
Dazu kämen die Salafisten, radikale Muslime, deren Zahl um 50 auf 400 Anhänger gestiegen sei, die Hälfte gewaltbereit. Mit Info-Ständen und Koran-Verteilungen würden sie für sich werben. Ein dutzend „jihadistisch-salafistisch gesinnter“ Berliner seien zudem im letzten Jahr nach Ägypten ausgereist. Einer, der Ex-Rapper Denis C., habe bereits ein Abschiedsvideo hinterlassen, in dem er Deutschland mit „heiligem Krieg“ drohe. Dass die Islamisten zurückkämen, sei nicht auszuschließen, sagte Bernd Palenda, Interim-Chef des Verfassungsschutz. "Deutschland gehört nach wie vor zu den Zielländern islamistischen Terrors."
Für Palenda war es der erste Jahresbericht. Seit November führt er den Verfassungsschutz für Claudia Schmid, die nach dem Schreddern von Akten mit möglichen NSU-Bezug in ihrem Haus zurücktrat.
Die Opposition kritisierte, dass die Affäre im Bericht nirgends auftauche. „Kein Wort zur Schredderei, kein Wort zum Chaos, kein Wort zur Aufarbeitung“, sagte der Linke Hakan Tas. Er stellte den Geheimdienst an sich in Frage. „Ein Verfassungsschutz, der die Menschen nicht schützt, wird keine Akzeptanz finden.“
Auch der Grüne Dirk Behrendt forderte „grundsätzliche Änderungen“. Der Report sei ein „Fortschreiben alter Berichte ohne großen Erkenntnisgewinn“. „Zivilgesellschaftliche Gruppen sind da zum Teil besser informiert.“ Henkel erwiderte, genau wegen der Fehler „müssen wir die Behörde stärken und nicht weiter schwächen“.
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