: Gegen den eurozentristischen Blick
■ Kein sentimentaler Abgesang auf das Internationale Sommertheater Festival
Schlag auf Schlag geht es vom 11. bis 22. Juli in diesem Jahr beim Internationalen Sommertheater Festival auf Kampnagel. Hochkarätiges, allerdings keine Uraufführungen, dafür einige Stücke, Künstler, Compagnien, die Erinnerungen an vergangene Jahre wach rufen, stehen auf dem Programm.
Danach heißt es Tschüss. Denn mit dem 17. geht das letzte Festival der Ära Dieter Jaenicke/Gabriele Naumann durch die Hallen. Einen sentimentalen Abgesang wollen die beiden nicht anstimmen, jedoch einen Bogen der eigenen Geschichte spannen, der Entwicklungen in den Performing Arts nachzeichnet, vor allem im zeitgenössischen Tanz, den das Sommertheater Festival mit Spitzen der internationalen Avantgarde in Hamburg salonfähig gemacht hat.
Von dieser Geschichte erzählt auch die Fotoausstellung Please don't move des Hamburger Fotografen Thomas Füsser, die bereits am 10. Juli eröffnet und während des Festivals in der k3 zu sehen ist. Füsser hat sich Choreografen, Regisseuren, Tänzern und Schauspielern an die Fersen geheftet, die in den letzten zehn Jahren beim Sommertheater gastierten. Selbst die ganz Scheuen lockte er für seine Schwarz-Weiß-Porträts vor seine Großformat-Lochkamera. Den „eurozentristischen Blick“ zu brechen, wie Naumann es gerne nennt, ist seit eh und je Programm.
Für eine anregende Fusion westlicher und östlicher Theatertradition stehen die Arbeiten des Regisseurs Ong Keng Sen mit der Gruppe TheatreWorks aus Singapur. In Desdemona, ihrem neuen Stück, wird der klassische Othello-Stoff dekonstruiert. Mythos und Hi-Tech mischen sich dabei in der Kunst einer indischen Kathakali-Tänzerin und den virtuellen Bildwelten zweier Videokünstler. Die in Hamburg lebende Choreografin Angela Guerreiro zeigt eine Wiederaufnahme ihrer Festivalproduktion Bastard Memory von 1996, ein Solotanz auf der Suche nach Erinnerungen.
Zwar soll es weiterhin ein „Sommerfestival“ geben, wie Senatorin Christina Weiss beteuerte, als die Kulturbehörde vor anderthalb Jahren das Aus für das Internationale Sommertheater Festival Hamburg und zugleich auch für die Hammoniale beschloss. Um künftig Reibungen auf dem Kampnagelgelände zu vermeiden, wurde allerdings gleich tabula rasa gemacht. Von nun an liegt alles in einer Hand. Gordana Vnuk, die designierte Kampnagelleiterin, wird 2001 auch das Sommerfestival ausrichten. Zwei unabhängige, dazu etablierte Festivals neben dem Kampnagelbetrieb will Hamburg sich nicht länger leisten. Die Hammoniale ist nach Berlin abgewandert. Dagegen ist für Gabriele Naumann und Dieter Jaenicke das Internationale Sommertheater Festival immer einzig und allein mit Hamburg verknüpft gewesen. Marga Wolff
Thomas Füsser: Please don't move, Fotoausstellung, k3, Eröffnung: Montag, 19 Uhr, täglich, 17.30 - 22.30 Uhr, bis 22. Juli; TheatreWorks: Desdemona, Mittwoch und Donnerstag, 20.30 Uhr, k2; Angela Guerreiro: Bastard Memory, Mittwoch, 21 Uhr, k1
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