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Gegen Rechtsextremismus500.000 Menschen demonstrieren am Wochenende

Eine halbe Million Menschen protestierte seit Freitag deutschlandweit gegen Rechtsextremismus. Auch am Sonntag gingen Zehntausende auf die Straße.

Der große Löschzug der freiwilligen Feuerwehr der Demokratie am Sonntag in Berlin Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Es ist der wohl lauteste Feuerwehreinsatz in der Geschichte Berlins: Der Löschzug der Freiwilligen Feuerwehr der Demokratie will symbolisch die lodernden Flammen aus der CDU-Zentrale „wegbassen“. Auf dass die Brandmauer gegen die extrem Rechten wieder stehe, so die Idee.

Hauptbrandmeisterin Clara Feuerbach wolle dem „ehrlosen und brandgefährlichen Verhalten von Friedrich Merz und den Brandstiftern von BSW, FDP und CDU entschieden entgegentreten“. Ihre Ansage: „Sie zündeln, wir löschen“. Zu der Versammlung kamen bis zu 2000 Menschen. Doch schon am Startpunkt fiel einer aus: Adenauer SRP+, der Gefangenentransporter des Zentrums für politische Schönheit.

Die Polizei nimmt den Gefangenentransporter „Adenauer SRP+“ fest. Berlin, 9. Februar Foto: Christoph Soeder/dpa

Der Riese, der schon in Riesa eindrückliche Töne von sich gab, wurde von der Polizei in „amtlichen Gewahrsam“ genommen. Die Beamten nannten mögliche Betriebsmängel als Grund. Die Eigentümer widersprachen dem ausdrücklich und gaben an, mehrere Fahrzeugkontrollen in den letzten Wochen erfolgreich durchlaufen zu haben. „Skandal“, nennt das Zentrum dieses Vorgehen auf der Plattform Bluesky.

Seit Freitag haben erneut mehr als eine halbe Million Menschen bundesweit demonstriert. Eine Auswertung der taz von mehr als 120 Veranstaltungen zeigt, dass bis Sonntag zwischen 500.000 und 600.000 Menschen auf der Straße waren. Derzeit fehlen noch Angaben von Dutzenden Demos am Samstag und Sonntag.

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Bereits am vergangenen Wochenende hatten mehr als eine halbe Million Menschen im ganzen Land demonstriert. Die Proteste richten sich gegen die extrem rechte AfD, hatten sich aber auch gegen Union und FDP ausgeweitet. Diese hatten im Bundestag Stimmen der AfD in Kauf genommen, um die Mehrheit für einen Antrag zur Migrationspolitik zu bekommen. Seit Jahresbeginn waren mindestens 1,4 Millionen bis 1,9 Millionen De­mons­tran­t:in­nen auf der Straße.

Die größte Demo gegen rechts seit 2024

In München fand die größte Versammlung gegen rechts statt, selbst wenn die Protestbewegung von 2024 mit eingerechnet ist. Am Samstag demonstrierten auf der Theresienwiese mindestens 250.000 Menschen – die Veranstalter*in­nen sprechen gar von 320.000 Teilnehmenden. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung der bayerischen Landeshauptstadt wären das mindestens 15 Prozent.

Platz zwei der größten Demos gegen rechts geht an Berlin, wo letztes Wochenende mindestens 160.000 Menschen demonstrierten. Im letzten Jahr machte Hamburg mit 180.000 De­mons­tran­t:in­nen das Rennen und zweiter war auch damals: Berlin, 150.000. Die taz arbeitet mit den von der Polizei geschätzten Zahlen – wie in München sind die Schätzungen der Ver­an­stal­te­r*in­nen in der Regel höher.

Demohinweise

Wir sammeln Termine für die aktuellen Demonstrationen gegen rechts über die Mail-Adresse demohinweise@taz.de. Wir freuen uns über Hinweise auf Demonstrationen – am liebsten mit einer Quelle zu Berichterstattung durch Lokalmedien – und auf Demotermine in der Zukunft. Fehler und veraltete Informationen nehmen wir auch gerne an und korrigieren diese. Vielen Dank für die zahlreichen Zuschriften bisher!

Viele der Versammlungen seit letztem Freitag organisierten die An­ti­fa­schis­t*in­nen von Omas gegen Rechts. Mit einem bundesweiten Aktionstag mobilisierten die Omas in Hannover 24.000 Menschen. Zusammen mit anderen Organisationen stellten sie eine Demo in Konstanz mit 12.000 Teilnehmenden und in Bremen mit mindestens 35.000 Menschen auf die Beine. Der taz sind mindestens 30 weitere, meist kleine Orte bekannt, wo die Initiative mit Infoständen, Flashmobs, Kundgebungen und Menschenketten für die Demokratie auf die Straße ging.

Auch in Wuppertal, Nürnberg, Gießen, Heidenheim oder Marburg fanden Großdemos mit bis zu 25.000 Teilnehmenden statt.

Im fränkischen Nürnberg verlief die Versammlung nicht gewaltfrei. Ein Passant rief laut Angaben der Polizei „Sieg Heil“ in die Versammlung. Als ein Demonstrant ihn darauf der Polizei übergeben wollte, habe der Sohn des Passanten den Demonstranten blutig geschlagen, heißt es. Die Polizei leitete gegen Vater und Sohn Ermittlungsverfahren wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Beleidigung und Körperverletzung ein.

Eindringliche Worte von NS-Zeitzeugin

In Vaihingen, Baden-Württemberg, hielt die NS-Zeitzeugin Wedelgard von Staden eine Rede. Sie berichtete laut Stuttgarter Zeitung von der Bedrohlichkeit, weil wieder Menschen verfolgt werden sollen, auch von der damaligen Begeisterung für die Nazis. Die fast 100-Jährige dankte den Anwesenden auf der Demo, dass sie sich „entschlossen haben, dagegenzuhalten“. Etwa 500 Menschen lauschten ihr. In Leer, Niedersachsen demonstrierte der Holocaustüberlebende Albrecht Weinberg mit etwa 1500 Menschen. Er sagte zur Deutschen Presseagentur: „Dass mir das noch passieren kann, mit fast 100 Jahren. Unglaublich.“

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Bis zur Bundestagswahl sind bereits jetzt mehr als 200 weitere Proteste angemeldet. Am 15. Februar veranstaltet die queere Community nach aktuellem Stand 51 Demos. Die Kampagne fordert demokratische Wahlentscheidungen, denn „Liebe ist stärker als Hass.“ Passend dazu lautet ihr Aufruf: „Wähl Liebe“.

Am 13. Februar finden in Dresden mehrere Proteste anlässlich des Jahrestags des Bombenangriffs auf Dresden vom Bündnis „wiedersetzen“ statt. Jedes Jahr mobilisiert auch die extrem rechte Szene zu Demonstrationen rund um diesen Tag.

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9 Kommentare

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  • Bitte lasst im positiven Rausch der "Ich habe was gemacht" Demonstrationen nicht vergessen, dass später nur das Wahlergebnis zählt. d.h. tragt Verantwortung dafür, dass möglichst viele Demokrat:innen ihre Stimme abgeben ... auch wenn nur das kleinere Übel zu wählen ist. Die "2020er Schande von Köln", mit 36,24% Wahlbeteiligung, hat gezeigt, dass es gut klappt gegen rechts zu demonstrieren, durch tanzen und feiern seine Haltung zu zeigen, aber um ein demokratisches Statement an der Wahlurne abzugeben fehlte vielen Demokrat:innen dann leider anscheinend doch die Kraft. Das darf nicht mehr passieren.

  • afd-dd.de/13-febru...-stillem-gedenken/



    Echt bizarr, kein Wort von den "Luftkriegsopfern" der Wehrmacht.

    Dennoch sollte die Frage erlaubt sein, ob da nicht wieder Großstädter gegen die AfD protestieren, die in kleinen vielleicht stark überlasteten Kommunen auf dem Land punktet.

    Wen halten diese Demos vom AfD-wählen ab?



    Wird Populismus immer mehr normalisiert?

    Ganz nebenbei, auf dieser Liste der Länder nach Wirtschaftswachstum steht Deutschland weit unten:

    Selbst die Ukraine hat mehr oder Burundi, Mexico oder Kroatien, klar hetzt die AfD bei solchen Zahlen.

    de.wikipedia.org/w...irtschaftswachstum

    6,2 Millionen Menschen oder 12,1 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung können in Deutschland nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben. Bei weiteren 10,6 Millionen Menschen oder 20,5 Prozent der Erwachsenen tritt fehlerhaftes Schreiben selbst bei gebräuchlichen Wörtern auf.

    Sagt google zu einer Studie des BMBF. Solche Werte sind gruselich und untergraben extrem, zumindest meine Hoffnung auf eine bessere Welt. Wieso wird sowas nicht klarer artikuliert um gegenzusteuern? Dann hätte die AfD wirklich weniger Argumente!

  • Das weiß inzwischen jedes Kind: Man muss mit Traktoren demonstrieren. Dann gibt die Polizei freie Fahrt, nimmt auch noch später Anmeldungen der Demo an und macht so schlechte Videoaufnahmen, dass sie hinterher niemanden mehr erkennen kann.

  • "Die AfD macht man nicht klein mit Lichterketten, die AfD macht man klein, indem man die Probleme klein macht, die diese Partei einst groß gemacht haben", sagte Lindner

    So sieht's aus.

    • @Wonneproppen:

      Dumm ist nur, dass auch ein Herr Lindner die Probleme, welche Fluchtursachen erzeugen, nicht wirklich anpacken will. Wer keine Flüchtlinge will, muss endlich konsequent Armutsbekämpfung und Umweltschutz ins Werk setzen. Das hat aber wie man weiß, mit Wirtschaftsliberalismus nicht soviel zu tun.

    • @Wonneproppen:

      Stimmt genau.

    • @Wonneproppen:

      Lindner hat vor allem die FDP kleingemacht. Wenn es wenigstens für das Richtige gewesen wäre!

      Demonstrationen reichen gewiss nicht allein. Die Probleme aber sind die Schwätzer, die mitsingen im braunen Chor gegen Menschen, die mit vereinfachen und in die Schubladen abwerten.

  • Die Unionschristen wollen leider einfach nicht verstehen, dass ein nicht geringer Teil ihrer eigenen Mitglieder mehr als ein Bauchgrummeln mit den Merzschen Manövern hat. Gerade die „C“ - Fraktion im konservativen Komplex ist sehr irritiert von der VoLTE des Vorsitzenden. Im direkten Vergleich zwischen Friedrich und Robert dürfte der Formalkatholik aus dem Sauerland gerade das christliche Erbe auf dem völkischen Altar der heidnischen Höckejünger geopfert haben.

    • @vieldenker:

      Der christlich-soziale Teil ist schwer noch zu erkennen. Man wird lieber Minister und Macht-Ministrant, als mal einfach die Bibel zu lesen oder gar sich daran zu orientieren.