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Gegen Rassismus in ItalienImmigranten protestieren

Zehntausende protestieren in Rom und andernorts gegen wachsende Gewalt gegen Immigranten. Oft bestreitet die Polizei einen ausländerfeindlichen Hintergrund der Taten.

Schon vor zwei Wochen kam es zu Demonstrationen in Mailand. Bild: dpa

Zehntausende Menschen protestierten am Samstag in Rom, Caserta und anderen Städten gegen den in Italien um sich greifenden Rassismus. Dieser hatte sich in den vergangenen Wochen in einer Welle von Gewalttaten gegen Immigranten entladen.

In Rom waren es etwa 20.000, die auf die Straße gingen - Afrikaner, Chinesen, Rumänen, Pakistani, aber auch zahlreiche italienische Jugendliche. "Stopp Rassismus" verkündete das Transparent an der Zugspitze. Gehalten wurde es von Freunden Abdul Guibres, der vor drei Wochen in Mailand getötet worden war. "Dreckiger Neger" hatte der Besitzer einer Bar ausgerufen, während er mit einer Eisenstange auf den 19-Jährigen aus Burkina Faso einschlug. Die Ermittlungsbehörden beeilten sich aber, einen rassistischen Hintergrund zu leugnen. Ebenfalls an der Zugspitze waren zahlreiche Schwarzafrikaner aus dem süditalienischen Castelvolturno. Dort hatte ein Camorra-Kommando am 18. September sechs Immigranten aus Ghana, Liberia und Togo ermordet. Auch hier sprach die Polizei zunächst bloß von einem "Bandenkrieg".

15.000 Menschen auf der Demonstration in Caserta, die übergroße Mehrheit von ihnen Immigranten, sehen sich dagegen als Opfer einer systematisch von oben geschürten fremdenfeindlichen Stimmung im Land. Die Einwanderer erbittert eine Fülle weiterer Übergriffe, in der mal brave Bürger, mal Staatsbeamte sich gehen lassen.

In der letzten Woche wurde in Parma ein 22-jähriger Abendschüler aus Ghana von einem Greiftrupp von Stadtpolizisten in Zivil festgenommen. Die Polizisten glaubten, einen Drogendealer vor sich zu haben. Schon im Wagen, dann im Kommissariat verprügelten sie ihn. Drogen fanden sie nicht. Nach fünf Stunden entließen sie ihn mit einem zugeschwollenen Auge. Dazu erklärten die Beamten, der Junge sei "hingefallen". Außerdem händigten sie ihm einen Umschlag mit dem Verhörprotokoll aus; obendrauf hatte ein Beamter "Emmanuel Neger" geschrieben.

Parallel dazu wurde in Rom bekannt, dass Polizisten am Flughafen Ciampino eine 50-jährige Frau aus Somalia mit italienischem Pass stundenlang festgehalten und nackt ausgezogen hatten. Auch sie war als Drogenkurier verdächtigt, auch sie sprach hinterher von üblen rassistischen Beleidigungen.

Die von Berlusconis Rechtsregierung angeheizte "Immigranten-Notstand"-Stimmung im Land findet aber auch willige Nachahmer unter einfachen Bürgern. Ebenfalls in der letzten Woche schlugen Minderjährige einen chinesischen Arbeiter an einer Bushaltestelle nieder. Ehe ein Faustschlag ihm das Nasenbein brach, brüllte der Schläger "Drecks-Chinese". In Neapels Stadtviertel Pianura kam es zu wütenden Einwohnerprotesten gegen etwa 200 Afrikaner, die seit Jahren dort leben. In Mailand ging ein Marktverkäufer mit einem Baseballschläger auf einen Senegalesen los, weil auch der seine Ware feilbieten wollte.

Nachdem schon Papst Ratzinger vor der Gefahr des Rassismus gewarnt hatte, nahm jetzt auch Staatspräsident Napolitano das Thema auf und klagte "Solidarität mit den Immigranten" ein. Erstmals meldete sich mit Gianfranco Fini - dem Frontmann der postfaschistischen Alleanza Nazionale und Präsidenten des Abgeordnetenhauses - aber auch ein Politiker der Berlusconi-Koalition zu Wort. Fini hält es für "verfehlt, die Gefahr des Rassismus zu leugnen". Doch er verlor kein Wort über die Politik der Regierung, die systematisch die "illegalen Immigranten" zum Sicherheitsproblem Nummer eins erklärt hat und die das Ausländergesetz verschärfen will.

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2 Kommentare

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  • A
    Achim

    Natürlich nimmt der Rassismus zu: aber von beiden Seiten! Man gebe mal bei youtube relevante Stichwörter ein, sehe sich die Videos an und lese die Kommentare: Sintfluten von Rassismus er-

    gießen sich da! So ist das eben, wenn man die Ethnien, Kulturen und Religionen

    durcheinandermischt. Merkwürdig: auf dem Balkan hat man in den letzten 20 Jahren versucht, so weit es ging, ethnisch homogene Staaten zu schaffen, um das Konfliktpotential zu vermindern; hier in Westeuropa macht man das Gegenteil und wundert sich dann! So ist der Mensch eben und so wird er bleiben,

    allen Umerziehungsversuchen zum Trotz!

    Aber eine gewisse politische Richtung leugnet ja, dass es so etwas wie eine

    genetisch begründete menschliche Natur gibt. Schon so etwas zu behaupten gilt ja jetzt schon als Rassismus! Ethnisch und kulturell homogene Staaten sind die Lösung!

  • B
    butokah

    Der Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit nimmt in ganz Europa zu und gehört mit zum neoliberalen Projekt. Wenn die EU so etwas wie "frontex" für rechtmäßig hält brauchen wir uns nicht zu wundern. Die armen Länder und Staaten werden nur noch als Ressource für den Energie- und Wachstumshunger der sogenannten 1.Welt-Länder genutzt und dann wird sich gewundert, dass Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen und in kleinen Booten versuchen ins gelobte Land Europa zu kommen. Diese haben dann das Glück in Deutschland,Italien, Ungarn, Polen Tschechien u.s.w. auf nicht mehr nur kahlgeschorene Schläger zu treffen, die ihnen auch nach dem Leben trachten-In welchen Zeiten leben wir eigentlich?