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Gefühlskathedrale

■ Aus Emo-Core wird Gefühlsmusik: Elliott zu Gast im Hafenklang

Richtig gelesen. Nicht der gleichnamige Songwriter Smith, nicht Cars-Gitarrist Shapiro und auch nicht Seventies-Rocker Murphy, sondern einfach nur Elliott. Elliott aus Louisville, Kentucky (Heimatstadt übrigens so manches später nach Chicago umgezogenen Postrockers und Austragungsort eines der berühmtesten Pferderennen Nordamerikas, des Kentucky Derby. Aber nun gut). Vier junge Männer, zwei mit Brille, einer kahl, süße Jungs sozusagen.

Und um weiteren Irritationen von Anfang an vorzubeugen: Ihre neue Platte False Cathedrals hat mit dem hinlänglich bekannten Emo-Core früherer Produktionen nichts mehr zu tun. Die Amerikaner haben einige Pfunde in Sachen Melancholie, Opulenz und Theatralik zugelegt und klingen heute britischer als die Queen (Queen?) erlaubt. Hinter den aktuellen Gefühlsmusik-Stars von der verregneten Insel, Radiohead und Muse, brauchen sie sich nicht zu verste-cken.

Hinbekommen haben sie das ganz unspektakulär: Im Studio eingeschlossen, ein bisschen mit dem Piano herumexperimentiert und abgewartet, was passiert. Wie das halt so geht.

Der Clou: Das zuständige, auf ganz andere Hörgewohnheiten spezialisierte Label Revelation (wo ansonsten zahlreiche veritable HC-Größen veröffentlicht werden) wurde erst nach Fertigstellung mit dem neuen Material konfrontiert. Die Macher fanden Elliotts Vorgehensweise immerhin dem Punk treu genug, um es problemlos zu veröffentlichen. Als wüssten sie genau, dass die wunderbaren Melodien, der glasklare Sound und die feine Dramaturgie einzelner Songs jedes noch so Punkrock-erprobte Herz erweichen können. Also Platte hören und selbst auch mal abwarten, was passiert.

Gespannt sein kann man da schon jetzt, wie Elliott ihre groß angelegte und komplex komponierte Musik live aufführen werden. Vorab verrieten sie nur, dass sie nichts davon halten, für die Liveumsetzung zusätzliches Personal zu verpflichten. Vielmehr werden einzelne Bandmitglieder mehrere Funktionen übernehmen – und wofür gibt es heutzutage eigentlich Sampler? Logisch.

Es bleibt noch darauf hinzuweisen, dass man an diesem Abend die eigene Gemütslage auf Empfangsbereitschaft stellen sollte, sonst steht man teilnahmslos daneben. Reine Zeitverschwendung also. Oder um es mit Elliotts Worten zu sagen „Wir sind Elliott und wir machen emotionale Musik“. Stimmt genau, das.

Thorsten Bathe

Dienstag, 21 Uhr, Hafenklang, Supp.: Reno Kid

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