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Gefühlskatalysator FußballWenn es menschelt auf dem Platz

Hinter den Fußballfans liegt eine irre Europapokalwoche. Sie hat auch begeistert, weil Fehler gemacht wurden.

Ein Mensch: Bayern-Torhüter Manuel Neuer bei einer Vorzeigeparade im Spiel gegen Real Madrid Foto: ap

Y oga hilft vielleicht, autogenes Training, eine gemütliche Radtour, eine Halbe Bier oder eine Tasse Lindenblütentee. Irgendetwas zum Runterkommen jedenfalls. Eine brutale Woche liegt hinter den Fans des gepflegten Fußballsports. Der Dortmunder Underdogtriumph über diesen Katar­klub aus Paris. Das Drama um den FC Bayern, der doch tatsächlich heuer mal keinen Titel gewinnen wird.

Und das immer wieder faszinierende Spiel von Bayer Leverkusen mit dem Schlusspfiff, der nie ertönt, bevor der deutsche Meister 2024 sichergestellt hat, dass er wieder nicht verlieren wird. Wie gut, dass es noch ein paar Wochen dauern wird, bis Leverkusen sein Finale in der Europa League gegen Atalanta Bergamo spielen wird, bis Dortmund in Wembley beim Champions-League-Finale gegen Goliath Real Madrid wieder in die David-Rolle schlüpfen darf. Zeit zum Durchatmen.

Zeit zum Reflektieren auch. Darüber etwa, woran es wohl liegen mag, dass der Fußballsport derart starke Emotionen zu erzeugen vermag. Am Dienstag beim Spiel von Borussia Dortmund bei Paris Saint Germain waren alle Augen auf Kylian Mbappé gerichtet, den französischen Überstürmer, der bisweilen wie ein Außerirdischer mit übermenschlichen Fähigkeiten mit dem Ball am Fuß schneller läuft, als Lucky Luke seinen Revolver ziehen kann. Und was war zu sehen? Zweikämpfe, die er verloren hat, Bälle, die einfach nicht an seinem Fuß kleben wollten, wie es sonst immer der Fall ist. Es ist eben doch ein Mensch, der da am Werk ist, und kein Fußballgott.

Mensch, Manu!

Am Tag darauf hatte der FC Bayern eigentlich keine Chance bei Real Madrid. Im Spiel blieben die Münchner nur deshalb, weil Manuel Neuer eine Zauberparade nach der anderen ausgepackt hat. Beinahe war man schon geneigt zu behaupten, es grenze an Wettbewerbsverzerrung, wenn ein beschwerdefreier Manuel Neuer im Kasten steht. Da ließ er einen Ball nach vorne abprallen. Madrids Joselu hat sich mit einem Tor dafür bedankt. „Mensch, Neuer!“, mochte man ausrufen. Und genau das ist er ja auch: ein Mensch.

Ein solcher ist auch Szymon Marciniak, der polnische Schiedsrichter, der in der allerletzten Spielminute das Spiel der Bayern in Madrid wegen einer Abseitsstellung zur Pfeife griff und pfiff. Was für ein Fehler! Er hätte weiterspielen lassen müssen. Nur dann hätte der Assistent im Videoraum überprüfen können, ob Matthijs de Ligt, der den Ball gerade ins Tor befördert hatte, wirklich im Abseits stand.

Die Aufregung darüber, ob den Bayern der Ausgleich nicht geklaut worden ist, dauerte noch bis Freitag an. Fans haben eine Petition gestartet, die eine Wiederholung des Spiels fordern. Am Sonntag, wenn der FC Bayern zu seinem nächsten Heimspiel in der Bundesliga lädt, werden die Diskus­sio­nen über Marciniak auf den Rängen gewiss weitergeführt. Worüber soll man auch sonst reden, wenn der Gegner Wolfsburg heißt? Ja, was wäre der Fußballsport nur ohne die Fehlbarkeit seiner Protagonisten?

Ob Leverkusens unheimliche Serie ungeschlagener Spiele auch im Europa-League-­Halb­finale gegen AS Rom gehalten hätte, wenn Gästetorwart Mile Silvar nach einer Ecke nicht derart spektakulär unter dem Ball hindurchgesegelt wäre, kann niemand sagen. Es war jedenfalls ein Fehler des bis dahin vielleicht besten Römers, der dem Eigentor (!) von Roms Gianluca Mancini vorausgegangen ist. Auch in Leverkusen hat es am Donnerstag gewaltig gemenschelt.

Bei aller Professionalisierung des Fußballs, bei allen auch wissenschaftlichen Anstrengungen, Siege planbar zu machen, den Zufall zu eliminieren, am Ende sind es fehlbare Wesen, die da auf dem Platz stehen. So fehlbar wie jeder Mensch. Auch deshalb ist es so schwer, sich dem Spiel zu entziehen.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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