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Gefühl & Gewalt

■ Das 3001-Kino zeigt Filme von Roland Klick, dem Vergessenen des Neuen Deutschen Films

Kennen Sie Roland Klick? Wenn ja, zeichnen Sie sich durch eine Jäger- und Sammlerleidenschaft aus, haben in den Sechzigern und Siebzigern besonders aufmerksam das deutsche Kinotreiben verfolgt oder waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um in den Genuß einer der nicht allzu zahlreichen Aufführungen eines Roland-Klick-Films zu kommen. Denn den Regisseur kann man ohne Übertreibung als den großen Vergessenen des Neuen Deutschen Films betrachten. Diesem himmelschreienden Unrecht ein Ende zu bereiten, tourt jetzt eine Reihe mit seinem nahezu kompletten Spielfilmoeuvre durch deutsche Kinos.

Eigentlich hat Roland Klick nie zu den Protagonisten des Neuen Deutschen Films gehört. „Ich bin für Zuwendung zum Publikum nicht aus Spekulation heraus, sondern aus dem Wunsch nach Kommunikation“, sagte er einmal. Daß er diese Absicht tatsächlich verwirklicht hat, liegt vor allem an einer von Überheblichkeit und Didaktik freien Haltung.

Als Spielfilmregisseur debütierte er 1968 mit Bübchen. Darin wird die Geschichte eines Jungen erzählt, der seine kleine Schwester umbringt. Der Vater entdeckt den Mord und verwischt alle Spuren. Klick schildert das Arbeitermilieu, in dem der Film spielt, ohne es zu denunzieren. An keiner Stelle schwingt er sich zu einer psychologischen Erklärung auf. Diese Haltung darf man aber keinesfalls mit Gleichgültigkeit verwechseln. Im Gegenteil setzt sie einen mündigen Zuschauer voraus, der mit offenen Fragen konfrontiert wird. Und noch in der nüchternsten Darstellung gelingen ihm Szenen, die von einer Leidenschaft zeugen, die im deutschen Kino der Sechziger in dieser Form selten ist.

Es folgen Meisterwerke wie der an den Italowestern gemahnende Deadlock (1970) und der Hamburg-Film Supermarkt (1973). In beiden geht es um die Explosion von Emotionen und die Chancenlosigkeit des Gefühls. In der bizarren Westernkulisse von Deadlock hat der Held zwar am Ende das Geld gewonnen, aber sonst alles verloren. Supermarkt zeigt einen Helden, der um einen Rest an Individualität kämpft, einen Supermarkt ausraubt und mit der Beute durch den Elbtunnel flüchtet – direkt in die Arme der Polizei. Und trotzdem erscheint er nicht nur als eine durch soziale Verhältnisse determinierte Figur. Nie läßt der Regisseur seine Protagonisten zu Teilen einer Versuchsanordnung verkommen.

Obwohl häufig ausgezeichnet, konnte Klick seine Filme meistens nur mit großen Schwierigkeiten oder gleich gar nicht realisieren. Oft blieb er auf einem Schuldenberg sitzen. Nach den negativen Reaktionen auf seine Simmel-Verfilmung Lieb Vaterland, magst ruhig sein drehte er nur noch drei Filme: die Dokumentararbeit Derby Fever U.S.A. (1979), White Star (1982, mit Dennis Hopper) und den unveröffentlichten Schluckauf (1989/92). Und so ereilte Klick das schlimmstmögliche Schicksal eines deutschen Filmabenteurers: Er ging im Förderdschungel verloren.

Sven Sonne

Do, 4.12.: „Jimmy Orpheus“

Fr, 5.12. + So, 7.12.: „Supermarkt“

Sa, 6.12. + Mo, 8.12.: „Deadlock“

Di, 9.12.: „Bübchen“

Mi, 10.12.: „White Star“

Beginn jeweils 20.30

Am Freitag ist der Regisseur anwesend.

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