: Gefängnis mit Kammerorchester
■ „Knastmusik“, 18.35 Uhr (18.20, SFB, 18.25, RB), ARD
Der Anspruch ist hoch, denn die Redakteurin Barabara Buhl will mit der Situationskomödie den Beweis erbringen, „daß im Vorabendprogramm auch das Nicht-Glatte eine Chance hat“. Immerhin konnte sie Darstellergrößen wie Diether Krebs, Rolf Zacher, Peter Bongartz und Dominique Horwitz, der sich in der Wilson-Inszenierung Black Rider im Hamburger Thalia-Theater als Beelzebub profilierte, hinter Gitter bringen. 24 Teile lang sitzen sie und ihre Kollegen im Kittchen und das geneigte Publikum für jeweils 25 Minuten im Fernsehsessel.
Die „Justizvollzugsanstalt Finkenhain“ ist das einzige Gefängnis mit einem Kammerorchester, informiert uns — von einem flotten Liedchen untermalt — eine kernige Stimme gleich zu Beginn der ersten Episode Blues for Bruno. Steckbrief des Quintetts der liebeswerten Bösewichter: Die erste Geige spielt Erich (Peter Bongartz), Wirtschaftsverbrecher, zwölf Jahre Knast. Am Kontrabaß gibt Bruno (Dieter Krebs), Kleinstadtmafioso, zehn Jahre Haft, den Ton an. Am Klavier klimpert Fred (Rolf Zacher), sieben Jahre unter Vertrag. Die Bratsche fiedelt Dietrich „Didi“ (Dominique Horwitz), Diebstähle aller Art, sieben Jahre Zellenengagement. Das Cello zupft Wilhelm (Werner Eichhorn) lebenslänglich, keiner weiß mehr warum.
Dieser „Verein der Kammermusikfreunde“ übt in dem fidelen Knaststadl nicht den Gefangenenchor aus der Nabucco-Oper, sondern das Forellenquintett. Der Knast entpuppt sich im TV-Märchen als Schlaraffia: Im eigenen Proberaum steht ein Kühlschrank voller Schampus und Kaviar. Privilegien, die Gefängnisdirektor Fleck (Klaus Berner) seinen Knackis gerne zukommen läßt. Hier ist es schöner als in der Schwarzwaldklinik.
Regisseur Ulrich Stark (Soko) hat 22 Folgen der Knastmusik in Szene gesetzt, acht Autoren arbeiteten an den Drehbüchern. Jetzt witzeln sich die Verbrecher mit Dialogen wie diesen durch die Sendezeit: Auf die Empfehlung „Sei wie ein Killer“ erwidert der lebenslängliche Wilhelm: „Ich bin ein Killer, ich laß das nur nicht so raushängen...“
Angesichts der Realiäten des Strafvollzugs bleibt einem Knastmusik als bitterböse Satire im Halse stecken. Doch das Kammerspiel ist so absurd, so weit weg vom wirklichen Leben, daß man es wohl einfach nicht so ernst nehmen darf. Denn das kann doch nicht wahr sein. Sabine Jaspers
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen