■ Kommentar: Gefährliche Schlamphüte
Man könnte es auch so sehen: Vor diesem Überwachungsstaat muß man sich wirklich nicht fürchten. Was sich Innenverwaltung und Verfassungsschutz im Fall Otto D. geleistet haben, sind Pleiten, Pech und Pannen. Der Geheimdienst scheint eine Behörde zu sein, die in Ruhe Steuergelder verfrühstückt, die Zeitung liest und auf Anfrage erklärt: „Kein Kommentar.“
Leider ist es nicht ganz so harmlos. Denn Innenverwaltung und Verfassungsschutz haben sich offenbar tief in eine Scientology-Hysterie verrannt. Auf ein anonymes Schreiben hin wurde das Verfahren eröffnet, aufgrund einer anonymen Quelle wurde Otto D. vom Dienst suspendiert. Einen Journalisten, der aufgrund so spärlicher Quellenlage einen Artikel schreibt, würde man verantwortungslos nennen. Solche Probleme quälen die Schlamphüte nicht: Wenn eine Auskunft falsch ist, wird eben eine zweite Überprüfung eingeleitet. Deren Ergebnis ist dann im Zweifel diametral entgegengesetzt. Wenn die Innenverwaltung jede Verantwortung zurückweist und eine Untersuchung ankündigt, ist klar: Im Verfassungsschutz werden höchstens ein paar Beförderungen weniger ausgesprochen. Wirkliche Reformen oder gar die Abschaffung des Geheimdienstes stehen nicht zur Debatte. Dabei könnte an diesem Beispiel diskutiert werden, ob beim Schutz der Verfassung weiterhin der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden soll. Denn was fürchten alle bei Scientology? Dunkle Mächte, die unkontrolliert ihre Fäden spinnen, einen geheimen und undemokratischen Einfluß auf Politik und Gesellschaft, versteckte Aktionen gegen hilflose Menschen – all das klingt wie ein Tätigkeitsprofil des Landesamtes für Verfassungsschutz im Fall Otto D. Bernhard Pötter
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