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■ KommentarGefährliche Kultur

„The times, they are changing“, hieß ein Lied des großen Protestbarden Bob Dylan. Sie ändern sich tatsächlich, die Zeiten. Schneller, als mancher es erwartet hat, und in eine Richtung, die in den Ursprungszeiten der Rockmusik nicht vorhersehbar war. Während in den sechziger und siebziger Jahren noch ein Leben besungen wurde, das frei von Rassenhaß, Krieg und Vorurteilen sein sollte, findet heute eine radikale Umkehrung statt. Rechte Jugendgruppen haben sich die Form einer Musik, deren Sound noch vor Jahren mit linken Punkbands identifiziert wurde, für ihre Zwecke umgemünzt. Die Inhalte von Bands wie „Störkraft“ oder „Werwolf“ stellen die bisherige Geschichte der Rockmusik radikal auf den Kopf: der Haß auf Minderheiten, auf Linke, auf alles, was die Ordnung stört, wird hier zum (musikalischen) Programm und mündet unterschwellig in der Forderung nach dem starken Mann, nach dem starken Staat. Abseits der kommerzialisierten Pop- und Rockmusik hat sich so eine gefährliche Kultur entwickelt.

Bisher lag und liegt die kulturelle Hegemonie noch auf seiten der linken und liberalen Öffentlichkeit. Doch schon sind Aufweichungen erkennbar. Eine Gruppe wie die „Böhsen Onkelz“, die in den achtziger Jahren mit Liedern wie „Türken raus“ die Erfolgsleiter in der rechten Szene Westdeutschlands emporklomm und deshalb 1986 indiziert wurde, steht heute auf Platz 5 in den Charts. Zwar gibt sich die Band inzwischen nach außen hin gemäßigt, doch die Anwesenheit von rechten Skins auf ihren Konzerten zeigt, daß ihre Fans die alten Botschaften noch gut in Erinnerung haben und entsprechend zu würdigen wissen.

Der gestrige Schritt von Thomas Krüger, Strafanzeige gegen einen rechten Plattenhersteller und die Indizierung der neuesten CD von Störkraft zu stellen, zeigt den richtigen Weg. Darüber hinaus muß die Öffentlichkeit – Plattenhersteller und -läden, Klubs und Radio- und Fernsehstationen – dafür sorgen, daß rechtsextremer Jugendkultur kein Raum geboten wird. Die rechten Jugendbands sollen die Autorität, nach der sie so sehr verlangen, zu spüren bekommen – als Gegenwehr einer demokratischen Gesellschaft. Sonst könnte eines Tages das eintreten, was sich diese Gruppen erträumen: ein neuer Faschismus, der im Gewand der Video- und Rockkultur daherkommt und massenhaft über alle Sender glitzert. Das wäre dann allerdings das endgültige Ende der Rockmusik. Und nicht nur der. Severin Weiland

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