Gedenktafel vorm Haus zur Erinnerung: „Der Mord macht wütend“
Zum 1. Todestag trauert die linke Szene um Maria, eine von einem Polizisten getötete Frau aus Friedrichshain. Ein großes Polizeiaufgebot war vor Ort.
Rund um die Tafel sind Blumen, mehrere Dutzend Kerzen sowie Fotos der Toten drapiert. Am Sonntagnachmittag hatten dort rund 150 Menschen zum 1. Todestag für Maria B. eine Trauer-und Gedenkveranstaltung abgehalten.
Immer wieder gab es Sprechchöre gegen die Polizei, die mit einem großen Aufgebot vor Ort war. Besonders laut wurden die Rufe, als KundgebungsteilnehmerInnen kontrolliert wurden, weil sie Flyer mit angeblich unvollständigen Impressum verteilt haben sollen.
Auch in den kurzen Reden kam die Trauer über den Tod der 33-jährigen Frau – aber auch die Wut und das Unverständnis, dass sie vor einem Jahr in ihren Zimmer von der Polizei erschossen wurde.
Unverständnis noch heute
Am 24. Januar 2020 war ein Streit mit einem Mitbewohner eskaliert, der daraufhin die Polizei verständigte. Als diese in der Wohnung eintraf, hatte sich Maria in ihrem Zimmer eingeschlossen. Als die Beamten die Tür aufbrechen wollten, habe sie ein Messer in der Hand gehalten und nicht auf die Anweisungen der Polizisten reagiert, hieß es damals in einer Stellungnahme der Polizei nach dem tödlichen Schuss.
Die Ermittlungen gegen den Beamten wurden schon nach wenigen Wochen eingestellt. Das löst bei den KundgebungsteilnehmerInnen noch immer Unverständnis aus. „Maria hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und war hocherregt. Wieso versucht dann schwerbewaffnete Polizei die Tür aufzubrechen?“ Diese Frage einer Rednerin bekam viel Applaus.
Es wurde auch gefragt, warum in solchen Fällen nicht Einrichtungen wie der Sozialpsychiatrische Dienst gerufen werden, die mit den Betroffenen reden, statt bewaffnet Türen aufzubrechen. Bei einigen TeilnehmerInnen der Kundgebung gab es auch selbstkritische Töne: „Selbst in linken Zusammenhängen habe ich es erlebt, dass Menschen, die psychologisch auffällig reagieren, oft wenig Hilfe bekommen. Da heißt es schnell, wir sind keine SozialarbeiterInnen“, sagt eine Frau.
Auch ein Bewohner der Grünbergerstraße 46 ist sehr betroffen über den Tod seiner Nachbarin. „Ich hoffe, dass die Tafel dauerhaft an sie erinnert“, sagte er der taz. Die Tafel wurde von Marias FreundInnen ohne Einwilligung der Hausverwaltung gestaltet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid