Gedenktafel verunstaltet: Silvio wird nicht vergessen
Unbekannte beschmieren die Silvio-Meier-Gedenktafel in einem U-Bahnhof mit Teer. Initiative will eine Straße nach dem 1992 ermordeten Hausbesetzer benennen.
Ute Donner steht am Ausgang des U-Bahnhofs Samariterstraße, blickt aufgelöst auf den schwarzen Fleck an der Wand. Der verbirgt die Gedenktafel für den Hausbesetzer Silvio Meier, der an dieser Stelle am 21. November 1992 von einem Neonazi erstochen wurde. Teer übertüncht die Plakette, schwarze Spritzer von den Fliesen daneben bis auf den Boden. "Es ist beschämend, dass in heutiger Zeit so etwas passiert", schüttelt Donner, Künstlerin und Bekannte der Familie Meiers, den Kopf.
Die geschändete Tafel war von einem Passanten Montagnacht gegen 23.30 Uhr entdeckt worden. BVG-Sprecherin Petra Reetz bezeichnete die Tat als "inakzeptablen Vandalismus gegen ein demokratisch beschlossenes Gedenkzeichen". Erste Reinigungsversuche am Dienstag zeigten wenig Erfolg, in der Nacht sollte die Plakette mit einem Hochdruckreiniger gesäubert werden. Die Polizei ermittelt wegen politisch motivierter Sachbeschädigung. Videoaufnahmen zu der Tatzeit hat die BVG gesichert.
In den letzten Jahren war die Tafel immer wieder beschädigt worden. Zuletzt wurde ein Exemplar 2006 aus der Wand gerissen, eine Ersatztafel anschließend gestohlen. Ein Antifa-Bündnis will am Samstag mit einer traditionellen Demo zum Gedenken an Silvio Meier durch Friedrichshain ziehen. Der Anschlag auf die Tafel sei "eine Provokation gegen die Demonstration", sagte Lars Laumeyer, Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin. Die grüne Abgeordnete Canan Bayram nannte die Tat einen "feigen Angriff". "Wir werden es nicht hinnehmen, dass Nazis in Friedrichshain Fuß fassen."
Schon vor dem Anschlag forderte eine Initiative aus Antifa-Gruppen und Linkspartei, eine Straße in der Nähe des U-Bahnhofs Samariterstraße nach Silvio Meier zu benennen. "Als symbolischer Akt gegen Neonazi-Gewalt und Ehrung für den Mut, gegen Nazis aufzustehen", so Damiano Valgolio, Linken-Vorstand in Friedrichshain-Kreuzberg. Der 27-jährige Meier war ermordet worden, nachdem er versucht hatte, einem Neonazi einen rechten Aufnäher von der Jacke zu reißen.
Dass Straßen im Bezirk vorerst nur nach Frauen benannt werden sollen, sieht Valgolio nicht als Problem. "Bei wichtigen Persönlichkeiten gibt es Ausnahmen, siehe Rudi-Dutschke-Straße 2008." Alternativ sei auch die Benennung eines Platz oder einer öffentlichen Einrichtung denkbar, so Valgolio. Das Prozedere solle bis November 2012 durch sein. Daniel Wesener, Sprecher der grünen Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, begrüßte die Initiative. Die Idee müsse noch in der Partei besprochen werden, eine Umsetzung bis 2012 sei aber realistisch.
Unterdessen präsentierte das Register Friedrichshain, eine Dokumentationsstelle rechter Übergriffe, eine Befragung von Gewerbetreibenden im Bezirk zu Alltagsrassismus. Darin erklärten 9,5 Prozent der Unternehmer, in ihren Läden Diskriminierung oder Rassismus erfahren zu haben - gegen sich selbst oder gegen Kunden. 15 Prozent schätzten, dass es Menschen in Friedrichshain gibt, die sich "nicht sicher fühlen". Jeder Fünfte gab an, sich gegen Rassismus engagieren zu wollen. 11,7 Prozent äußerten in diesem Fall aber Angst vor Gewalt oder Vandalismus.
An der im Juni 2010 gestarteten Umfrage hatten sich 53 von 650 angefragten Betrieben beteiligt. Studienverfasserin Heike Weingarten wertete die Zahlen als Auftrag, mehr Unternehmen zu sensibilisieren und für ein Engagement gegen Rassismus zu gewinnen. "Wenn viele mitmachen, gerät niemand in den Fokus von Rechten und Rassisten."
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