Gedenkstätte Neuengamme wird Stiftung: Endlich unabhängig

Hamburg verwandelt die KZ-Gedenkstätte Neuengamme in eine Stiftung. Das bringt Freiheit von politischen Einflüssen und zusätzliches Geld vom Bund.

Steinhaufen vor dem Verwaltungsgebäude der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

Von den einstigen Häftlingsbaracken zeugen nur noch Steine: KZ-Gedenkstätte Neuengamme Foto: dpa

HAMBURG taz | Der Kultursenator kann dem Chef der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ab sofort nicht mehr den Mund verbieten. Das hat Carsten Brosda (SPD) zwar noch nie getan. Aber möglich wäre es gewesen, weil der Neuengamme-Direktor bislang Angestellter der Kulturbehörde war.

Das ist seit dem 1. Januar 2020 anders: Als unabhängige „Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen“ fungiert Neuengamme nun mit den Außenstellen Bullenhuser Damm, Plattenhaus Poppenbüttel, Fuhlsbüttel und Hannoverscher Bahnhof. Der Gedenk-Ort ist auch künftigen Senatoren jedweder Partei nicht untergeordnet.

Abgesehen davon hatte auch der Bund, der die Gedenkstätte gemeinsam mit der Stadt Hamburg finanziert, stets darauf gedrungen, Neuengamme – wie etliche bundesweite Gedenkstätten – endlich zur Stiftung umzuformen. „Zur Belohnung“ gibt es ab sofort 580.000 Euro jährlich vom Bund obendrauf, womit sich das Gesamtbudget der Stiftung auf gut vier Millionen Euro erhöhe“, sagt Detlef Garbe.

Er war bis Juni 2019 Direktor der Gedenkstätte, die seither Oliver von Wrochem leitet. Garbe sitzt nun im Vorstand der neuen Stiftung, die – wie Hamburgs Museen seit ihrer Umwandlung in Stiftungen – kein Stiftungskapital hat. Bei den Museen hatte das zu chronischen Defiziten geführt, „und diesen Fehler haben wir jetzt vermieden“, sagt Senator Brosda bei der Präsentation der Stiftung. Die Stadt Hamburg werde die zusätzlichen Kosten – für Ausgliederung, eigene Rechtsberatung und Personalabteilung – aufbringen. Dafür bekomme die Gedenkstätte Neuengamme zwei zusätzliche Stellen. Überschüssiges Geld werde in pädagogische Projekte fließen, sagt Garbe.

Carsten Brosda, SPD-Kultursenator

„Die Stärkung des Gedenkens ist gerade in Zeiten des erstarkenden Rassismus essenziell“

Er wird künftig für die Vernetzung der 75 einstigen Außenstellen des KZ Neuengamme sowie für die Debatte und die Sichtbarkeit von Gedenkkultur zuständig sein. „Das ist gerade in Zeiten des erstarkenden Rassismus essenziell“, betont Brosda.

Auch der Bau des Dokumentationszentrums Hannoverscher Bahnhof am Lohseplatz, Hamburgs einstigem Deportationsbahnhof, soll im Februar 2020 beginnen. Es wird im Erdgeschoss eines Hotelkomplexes liegen und die an den Gleisresten angebrachten Gedenktafeln ergänzen.

Die Gestaltung des Stadthauses – der einstigen Gestapo-Zentrale, die die Stadt an einen Investor vermietete und ihn bloß allgemein zu „Gedenkarbeit“ verpflichtete –, liege dagegen nicht in der Macht der Stiftung, bedauert Garbe. Dort angemessen jener Widerstandskämpfer zu gedenken, die von der Gestapo brutal verhört wurden, sei von der Stadt „jahrzehntelang versäumt worden“, sagt Brosda. Nun könne man allenfalls beraten. Wann die bislang eher symbolische Ausstellung im dortigen Buchladen-Café vergrößert wird, weiß zum Beispiel niemand. Auch die Verlegung „blut“-roter Gehwegplatten – als Ergebnis einer hektischen Ausschreibung nach öffentlichen Protesten – stockt. Man werde des Hamburger Widerstands also in der erweiterten Neuengammer Dauerausstellung und andernorts gedenken müssen, sagt Garbe.

Interner Widerstand gegen die Stiftungsarbeit ist indes nicht zu befürchten: Das Hamburger Stiftungsrecht fordert nicht, dass alle gewählten Parteien im Stiftungsrat vertreten sind. In Niedersachsen dagegen ist das Pflicht – weswegen man die AfD 2018 nur durch eine Gesetzesänderung aus dem Stiftungsrat der Gedenkstätte Bergen-Belsen hatte heraushalten können.

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