Gedenken an Neonazi-Opfer: Eine Straße für Silvio Meier
Eine Initiative fordert, eine Straße in Friedrichshain nach dem ermordeten Antifa Silvio Meier zu benennen. Möglich wäre aber auch eine "Silvio-Meier-Bücherei".
In einem offenen Brief an die BVV Friedrichshain-Kreuzberg haben sich zahlreiche Initiativen und KünstlerInnen dafür eingesetzt, eine Straße im Bezirk nach Silvio Meier zu benennen. Der Hausbesetzer war 1992 am U-Bahnhof Samariterstraße von einem Neonazi erstochen worden. Zu seinem Todestag organisieren Antifagruppen jährlich die Silvio-Meier-Demonstration, an der Tausende meist junge Antifas teilnehmen. Aber auch andere zivilgesellschaftliche Gruppen engagieren sich seit Jahren im Gedenken an den Getöteten, an den auch eine Tafel im U-Bahnhof erinnert. Sie wurde in den letzten Jahren öfter zerstört und beschmiert.
Für Canan Bayram, die für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt und ihren Wahlkreis in Friedrichshain hat, sind diese rechten Aktivitäten ein wichtiger Grund, eine Straße nach Meier zu benennen. "Damit würde ein Mensch geehrt, der sich schon in der DDR-Oppositionsbewegung gegen Neonazis engagierte und für seine Zivilcourage mit dem Leben bezahlte", meinte Bayram gegenüber der taz. Andererseits solle ein Zeichen gegen die fortgesetzten rechten Aktivitäten im Stadtteil gesetzt werden. Bayram berichtet von türkischen Händlern in der Umgebung, die ihr berichten, dass Gruppen von Neonazis an ihren Läden vorbeigelaufen sind. Nach den Recherchen des "Registers Friedrichshain", einer Initiative, die rassistische, antisemitische und homophobe Vorfälle dokumentiert, lag der Stadtteil mit diesen Aktivitäten im Jahr 2009 berlinweit an der Spitze.
Markus Roth von der Antifa Friedrichshain favorisiert dagegen die Benennung der vor einigen Monaten eröffneten Bezirkszentralbibliothek an der Frankfurter Allee nach Meier. Dabei dürfe es aber nicht bleiben: "Eine Bibliothek könnte mit Veranstaltungen oder Ausstellungen wichtige Arbeit im Kampf gegen rechts leisten." Laut Canan Bayram steht für die Initiative im Vordergrund, dass der Name Silvio Meier im Bezirk einen Ort bekomme. Das könnte mit der Bibliothek genauso geschehen wie durch eine Straße. Die Tatsache, dass die BVV sich bei Straßenneubenennungen auf Namen von Frauen beschränken will, ist für Bayram kein Hinderungsgrund. "Als Juristin weiß ich, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt. Im Falle eines Opfers von Nazigewalt wäre die vertretbar."
Da sowohl Grüne als auch Linke, die zusammen eine BVV-Mehrheit stellen, die Initiative unterstützen, könne es noch vor den Wahlen in Berlin einen Beschluss für Silvio Meier geben. Bayram drängt auf eine schnelle Entscheidung, die die Debatte nicht beenden würde. Die wird erst beginnen, wenn konkrete Straßen für die Umbenennung ins Gespräch kommen. "Wenn dadurch eine Diskussion über ein Opfer rechter Gewalt und aktuelle Neonaziumtriebe zustande kommt, wäre das ein großer Erfolg der Initiative", betont Bayram. Sollte sie Erfolg haben, könnten sie Nachahmer finden. So fordert ein Bündnis im Nordosten Berlins, eine Straße nach dem von Rechten im Jahr 2000 in Buch ermordeten Dieter Eich zu benennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus