Gedenken an Bert Papenfuß: zersammelt und zerfernt

Weg­ge­fähr­t:in­nen verabschiedeten sich vom Dichter Bert Papenfuß in der Berliner Volksbühne. Als Referenzpunkt diente der Mythos Prenzlauer Berg.

Schwarz-Weiß-Foto eines Mannes, der in ein Mikrofon spricht

Bert Papenfuß bei einer Lesung 1984 in Berlin Prenzlauer Berg Foto: akg/picture alliance

Wenn ein Schriftsteller ein Vermächtnis aus schlagkräftigen Formulierungen hinterlässt, ist es ein Leichtes, eine davon diesem Leben voranzustellen. „Freiheit wird nicht kommen, Freiheit wird sich rausgenommen“, wäre so einer dieser passenden Papenfuß-Sätze. Oder lyrischer: „lieber / mich selbst zu be- und ent- / haupten wie’s mir gefühlt! / als beherrscht zu werden / oder selbst zu herrschen“.

In der Berliner Volksbühne fällt der Abschied von Bert Papenfuß am Freitagabend wortreich aus. Einstige und letzte Weg­ge­fähr­t:in­nen gedenken des Literaten, Musikers und Kneipiers in eigenen oder den Worten von Papenfuß selbst, denn die poetische Verwandtschaft zwischen den im Prenzlauer Berg Sozialisierten lässt sich kaum verleugnen. Barock, Dadaismus und Futurismus, die die Ursuppe der DDR-Punkliteratur verdickten, ergaben und -geben „eine ulkige Mischung“, wie Papenfuß selbst in einer über die Leinwand abgespielten Filmsequenz kommentiert.

Ausdruck fand diese Mischung dann meist im semi-privaten Kontext, auf Lesungen und in DIY-Zeitschriften. Im heutigen BRD-Literaturbetrieb bleibt sie meist peripher, blieb in der DDR Underground. Einer der heute kommerziell erfolgreicheren Prenzlauer Berg-Dichter ist Jan Faktor, der aus seinem im letzten Jahr für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman „Trottel“ vorliest. Darin lässt er eine Figur sprechen wie Bert Papenfuß schreibt. „‚Kann man mit dir normal reden?‘“, fragt der verwunderte Protagonist. „‚Schleime nicht, harne nicht, staube lieber Trockenharm‘“, ist noch eine der verständlichsten Antworten, die er daraufhin erhält.

Die Erinnerung an Papenfuß nimmt mitunter eigentümliche Züge an. Robert Lippok, der mit seiner Band Ornament & Verbrechen in der Volksbühne auftritt, erzählt von der Ehrfurcht, die er gegenüber dem zehn Jahre älteren Papenfuß empfand und die sich am Freitagabend bis hin zu Zeus-Vergleichen auswächst. Schön ist wiederum die Anekdote Annett Gröschners, die einst mit Papenfuß in einer der zahlreichen Underground-Redaktionen zusammenarbeite und als einzige Frau in der Runde Papenfuß’ Gedicht der „Ostfrau an sich“ auf sich bezogen wissen durfte. Es changiert irgendwo zwischen machistisch und augenzwinkernd und dass Gröschner diese Ambivalenz gutwillig aushält, tut auch dem sonst sehr männerlastigen Abend gut.

Keine Verklärung der Geschichte

Abgesehen von meist zahmer Räuber- und Revoltenrhetorik bleibt die Volksbühne friedlich an diesem Abend, der tatsächlich um Punkt 21 Uhr beginnt. Der Mythos Prenzlauer Berg ist Referenzpunkt, zur Verklärung der eigenen Geschichte neigt man jedoch nicht. Es scheint, man hat sich arrangiert mit der Randständigkeit, die der Prenzlauer Berg nicht nur an und für sich beanspruchte, sondern auch in der jüngeren Berlin-Geschichtsschreibung einnahm, als Kreuzberg das unangefochtene Underground-Verkaufsargument darstellte, das junge Menschen in die Hauptstadt lockte – und bis heute Zinsen abwirft. Den „Rauch-Haus-Song“ grölen auch englischsprachige Zugezogene mit, die „Prenzlauer Berg Connection“ ist selbst bei deutschen Neu- und Jungberlinern meist unbekannt.

Angesichts der Endrunden-Gentrifizierung im einstigen Ostberliner Szenebezirk bleibt Guillaume Paoli selbstbewusst. „Die Avantgarde stirbt, aber sie ergibt sich nicht“, sagt er. Das Publikum belohnt seinen Waterloo-Schlenker mit Lachen, in Teilen sich wohl des eigenen Kurses rückversichernd. Einige der Dabeigewesenen und Zeit­zeu­g:­in­nen unterstehen heute dem Uniform-Dreiklang aus Hemd, Armbanduhr und Ehering oder schälen sich aus frühherbstlicher Steppwesten-Funktionalität. Viele aber auch nicht. Die Piratendichte ist hoch an diesem Abend.

Bert Papenfuß ist unbequem geblieben. Was normalerweise Floskel ist, trifft auf den offen zum Wahlboykott aufrufenden Anarchisten zu, der aus seiner Geringschätzung für Demokratie im Angesicht des real existierenden Kapitalismus nie ein Geheimnis machte. Auch für Geld hatte er nur Verachtung übrig. Moderator Jürgen Kuttner weist daher zuletzt noch auf den Spendentopf hin, der am Ausgang der Volksbühne hängt: Jetzt müsse man Papenfuß nur noch ordentlich unter die Erde kriegen.

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