Gedenken 9. Mai: Auch die Rocker waren wieder da
Hunderte kamen in Berlin zum Gedenken an den Sowjetischen Ehrenmalen anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs vor 79 Jahren. Georgsbänder beschlagnahmt.
In der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht.
Wegen des Feiertags und des schönen Wetters sind diesmal besonders viele Menschen zu den Gräberfeldern im Treptower Park gepilgert. Viele russischsprachige Familien sind darunter, aber auch zahlreiche ältere Ehepaare ohne Wurzeln in den GUS-Staaten, wie Nachfolgestaaten der UdSSR auch heißen. Viele haben Blumen mitgebracht.
Bei den Kontrollen sortiert die Polizei in großer Zahl Georgsbänder aus. Das schwarz-orangene Bändchen geht auf eine russische militärische Auszeichnung im Zarenreich zurück, ist aber seit etwa zehn Jahren auch ein Zeichen der Unterstützung der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Ein Polizist macht einem Mann klar, dass er mit seiner Hose nicht zum Ehrenmal gehen darf. Auf dieser befinden sich Aufnäher mit der russischen Fahne. „Hier herrscht keine Meinungsfreiheit mehr“, regen sich Menschen in der Schlange auf.
Botschafter kommt durch Seiteneingang
Russlands Botschafter Sergei Netschajew hatte bereits am Vormittag im Beisein von rund 250 Personen, darunter viele russisch-orthodoxe Geistliche, einen Kranz niedergelegt. Die Gruppe hatte einen Seiteneingang genutzt und deshalb nicht das Transparent mit der Forderung „Russische Soldaten raus aus der Ukraine“ passiert. Im Park sind zahlreiche Infostände aufgebaut. Die Kleinstpartei DKP, die russische Volkslieder spielt, fordert zum Beispiel Deutschlands Austritt aus der Nato.
Die oppositionelle russische Gruppe „Demokratie ja“ zeigt eine Ausstellung, die sowohl die Verbrechen Hitler-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg thematisiert als auch stalinistische Verbrechen. Zu lesen ist, dass 6 bis 15 Millionen Menschen allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit im und nach dem Zweiten Weltkrieg in unwirtliche Gebiete verbannt oder in Gulags gesteckt wurden, Russlanddeutsche etwa, Esten, Letten, Litauer, Krimtataren, Finnen und Tschetschenen. Viele kamen dort um.
„Diese Geschichte ist in Russland nicht aufgearbeitet, das begünstigt die Kontinuität von Gewalt“, sagt Kirill Tsimkarzhenski von „Demokratie ja“ der taz. Die Aktivisten, die auch eine ukrainische Fahne sowie die Fahnen der russischen und belarussischen Oppositionsbewegungen zeigen, werden von vielen Vorbeikommenden als Faschisten beschimpft. Einzelne Passanten fordern von der Polizei sogar die „Faschisten“ wegzuscheuchen.
Am frühen Nachmittag trafen Mitglieder der Rockergruppe „Nachtwölfe“ am Ehrenmal im Tiergarten ein. Die russische Rockerformation mit Ablegern in zahlreichen Staaten gilt als Unterstützer des russischen Präsidenten und der prorussischen Separatisten in der Ostukraine. Die Polizei zählte 87 Motorräder plus Begleitfahrzeuge. Danach machte sich der Corso auf den Weg zum Treptower Park.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative