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Gay Pride erlaubtRegenbogen über St. Petersburg

St. Petersburg erlaubt die erste russische Pride-Parade. Nicht wenige Schwule und Lesben haben dennoch Angst, an der Veranstaltung teilzunehmen.

Der übliche Ablauf: Die Polizei unterbindet den Versuch einer Pride-Kundgebung in Moskau. Bild: dapd

ST. PETERSBURG afp | Als erste russische Stadt hat St. Petersburg eine Homosexuellen-Parade erlaubt. Wie die Organisatoren am Mittwoch mitteilten, gab die Verwaltung der zweitgrößten russischen Stadt unter Auflagen grünes Licht für die Gay Pride am Samstag.

„Das ist eine historische Entscheidung“, sagte einer der Veranstalter, Nikolai Alexejew. „Alle früheren Paraden fanden ohne Erlaubnis statt.“ Die Stadtverwaltung war zunächst nicht für eine Bestätigung zu erreichen.

Die Gay Pride soll nach Angaben der Veranstalter von 11.30 Uhr bis 14.30 Uhr im Poliustrowski-Park im Zentrum von St. Petersburg stattfinden. Die Stadt habe die Erlaubnis für höchstens tausend Teilnehmer gegeben, sagte Alexejew.

Seinen Angaben zufolge rechnen die Organisatoren aber ohnehin nur mit einigen hundert Menschen. „Unsere Aktivisten haben Angst vor homosexuellenfeindlichen Angriffen, die normalerweise bei allen Demonstrationen“ für die Rechte von Schwulen und Lesben stattfinden, sagte er.

In Russland sind Übergriffe auf Homosexuelle keine Seltenheit. Bis 1993 galt Homosexualität in dem Land als Straftat und noch bis 1999 als psychische Krankheit. Die Gay-Paraden, die seit 2006 organisiert wurden, waren stets verboten und wurden schonungslos von der Polizei unterbunden. Erst Ende Mai hatte die Polizei eine Gay Pride in Moskau verhindert. In St. Petersburg war im März ein Gesetz in Kraft getreten, das Kundgebungen Homosexueller vor den Augen Minderjähriger verbietet und Homosexualität mit Pädophilie gleichsetzt.

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11 Kommentare

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  • H
    Hans

    @Benz

    Nach offiziellen Aussagen der russischen regierung und der letzten Volksbefragung sind 51% der Russen offiziell Mitglieder der russisch orthodoxen Kirche!

     

    Was stellt Ihrer Ansicht nach die Religion oder Hautfarbe über sexuelle Orientierung? Warum ist Homosexualität etwas so verwerfliches, warum man es nicht öffentlich sehen sollte?

     

    Die Ansichten, die in Deutschland nicht propagiert werden dürfen, sind staatsfeindliche. Ist die Homosexualität dem russischen Staat feindlich?

    Ich verweise nochmal auf die demokratisch gewählte NSDAP und ihre Auswirkung auf die Gesellschaft. Nicht alle demokratisch gewählten Regierung sind a) wirklich demokratisch gewählt und/oder b)philanthropisch veranlagt.

     

    Zudem handelte es sich bei meiner Aussage über ihre "Prpaganda" um, nicht ganz ernst gemeinten Spott. Aber es geht nicht um ihre heterosexuellen Ansichten, sondern um ihre homophoben Ansichten. Das ist nicht dasselbe (außer vielleicht bei Ihnen persönlich).

  • B
    Benz

    @Hans

    Nun, erstens einmal sind in RU nicht die Russ.-Orthodoxen die grösste Gruppe, sondern nach wie vor die Atheisten.

    Zweitens habe ich mich mit keinem Wort gegen die öffentliche Sichtbarkeit von jeglichen Minderheiten ausgesprochen. Es gibt einen grossen Unterschied zwischen Religionsgruppen wie Moslems od. Juden, und Gruppen von Anhängern sexueller Praktiken wie Schwulen. Es gibt eben Ansichten, die in jeder Gesellschaft auf derart grosse Ablehnung stossen, dass man ihre Propagierung nur im Privaten zulässt. Sicher kennen auch Sie Ansichten und Ideologien, die in Deutschland nicht öffentlich propagiert werden dürfen.

    Welches diese Ansichten sind, wo die Grenze gezogen wird, entscheidet jede Gesellschaft in demokratischer Willensäusserung selbst.

     

    Zu Ihrem Aufruf, ich solle doch meine ´´Propaganda´´ unterlassen- ich denke nicht, dass Heterosexualität zu in Deutschland gesellschaftlich/gesetzlich verpönten Ansichten gehört.

  • H
    Hans

    @Benz

    Nach Ihrem Verständnis von Demokratie und dem Aufzwingen von "Mindermeinungen", müsste dies z.B. auch für Religionen gelten. Dies würde bedeuten, dass alle Religionen fernab der russisch-orthodoxen Kirche nicht ihren Glauben (Islam, Judentum, Katholizismus, Protestantismus, offen zeigen dürften. Auch Atheisten nicht, ist ja ne Mindermeinung. Oder nehmen wir Menschen mit dunkler Hautfarbe; sollen die jetzt sich verschleiern, ach verschleiern geht ja dann auch nicht mehr...

    Sie sehen, dass Ihre Meinung genau so bizarr ist wie meine Beispiele...

     

    Wollen Sie vielleicht Ihre Mindermeinung hier nicht lieber unterlassen, handelt sich ja nach russischem Vorbild um Propaganda ^_^

  • B
    Benz

    @Brenner

    Ihre Argumentation geht davon aus, dass eine Minderheit, einfach nur darum weil sie eine Minderheit ist und deshalb auf Hindernisse stösst, besondere Rechte habe. Dem kann selbstverständlich nicht zugestimmt werden. Schliesslich sind auch Holocaustleugner eine Minderheit, nur um ein Beispiel zu nennen.

     

    Dass man anderen eine Lebensweise oder gar eine sexuelle Orientierung aufzwingen kann, glaube ich in der Tat nicht. Aber massiv belästigen kann man andere damit sehr wohl.

     

    Russen sind sehr tolerant. Eines der Prinzipien der klassischen russischen Höflichkeit ist es, sich nicht in anderer Leute Privatleben einzumischen. In Bezug auf die Schwulenfrage ermöglichte dieses Prinzip bislang ein reibungsloses Zusammenleben: Es gibt in jeder russ. Stadt Schwulenklubs und -treffpunkte, Schwule sind durchaus geduldet. Allerdings ist das Höflichkeitsprinzip der Nichteinmischung in anderer Leute Angelegenheiten keine Einbahnstrasse, es erfordert im Gegenzug dass sich andere Leute nicht ungefragt aufdrängen. Genau dies tun aber Schwule, wenn sie agressiv Werbung für sich machen.

     

    Die russ. Oeffentlichkeit stört sich nicht an den Schwulen an sich oder an den Schwulenklubs, sondern an der aufdringlichen Propaganda. Bezeichnenderweise wurden ja nicht Schwulenklubs verbotenen, sondern Schwulenumzüge. Die Propaganda ist rücksichtslos, provozierend und nicht zuletzt auch kontraproduktiv. Viele russ. Schwule halten denn auch die Schwulenumzüge für der Sache abträglich.

     

    Anstatt mit dem Holzhammer vorzugehen, plumpe Propaganda zu machen und bewusst die Konfrontation zu suchen, stünde es einer zivilisierten Gesellschaft eher an den Kompromiss zu suchen. Schliesslich ist das Ziel ja reibungsloses Zusammenleben, und nicht dass man sich gegenseitig die Köpfe einschlägt.

  • PB
    paul brenner

    @benz

    zu einer demokratie gehört das recht von minderheiten demonstrieren zu dürfen. die misstände für nicht-heteros in russlnad sind kaum einzugrenzen, da sie sich in allen lebensbereichen zeigen. ich erinnere hier gern an die starke kirche und die massiv gewaltättige rechte szene die gern mal zu mord und totschlag an LGBT-leuten aufruft.

    ist dann eine demo für gleiche rechte "schwule propaganda um anderen eine lebensweise aufzuzwingen"?

    so dumm sind sie doch nicht, oder?

     

    dass sie normativer propaganda unterliegen zeigt sich schon in ihrer wortwahl. was meinen sie denn bitte mit "anständig"? ich bin mir sicher dass ein salafist da auch noch einmal ganz andere maßstäbe anlegen würde als sie und sie als "perversen" outen könnte.

     

    glauben sie wirklich, dass man jemandem sexuelle vorlieben aufzwingen kann? ihre argumentation wirkt wie die eines staubwedels aus den 50zigern.

  • B
    Benz

    @Hans

    Ja ja, sobald Einzelpersonen oder eine Minderheit ihren Willen nicht durchsetzen können, ists gleich eine Diktatur, nicht wahr?

     

    Zudem werden die Schwulen in RU mitnichten verfolgt. Sondern nur daran gehindert, ihre Werbung für ihre sexuellen Vorlieben anderen Mitbürgern aufzuzwingen. Bei sich zuhause, in Schwulenklubs usw. können die Schwulen nach wie vor tun und lassen was sie wollen.

    DAS ist echte Toleranz: Sein eigenes Leben leben, aber seine Meinungen und Ideologien anderen nicht aufdrängen.

     

    Haben Sie doch etwas Respekt vor der demokratischen Willensäusserung der Petersburger und akzeptieren Sie, dass der öffentliche Raum allen gehört und nicht von einigen Wenigen in Beschlag genommen werden soll.

  • H
    Hans

    @Benz

    Stimmt; demokratisch legetimierte Intoleranz und Verfolgung von Minderheitebn sollte respektiert werden. Das haben wir ja damals bei der Wahl der NSDAP so gemacht.

     

    Schöne sonnige, demokratisch legitimierte Diktatur wünsche ich Ihnen.

  • B
    Benz

    Wichtige Meldung! Das letzte Wort im Schwulenumzugsskandal ist noch nicht gesprochen: Soeben hat die Petersburger Stadtverwaltung die Erlaubnis für den Umzug widerrufen! Abklärungen des städtischen Rechtdienst haben ergeben, dass unter das Gesetz, welches Homosexuellenpropaganda verbietet, auch solche Schwulenumzüge fallen.

     

    Das ist mal eine gute Meldung! Wünschen allen einen schönen, sonnigen Tag.

  • H
    Hans

    Hmm, war St. Petersburg nicht die Stadt, die zuerst das Gesetzt gegen "Homosexuelle-Propaganda" installiert hat?

     

    Das klingt ein bisschen wie:

    "Genehmigen wir die Demo und verhaften sie alle wegen Homosexueller-Propaganda."

  • B
    Benz

    Zur Frage ob eine Schwulenparade unanständig ist oder nicht, gibt es keine 100%ige Einhelligkeit. Es gibt ja doch auch einige Personen, die solche Umzüge und Reklame für Homosexualität für normal halten.

     

    Ganz sicher aber sind Schwulenparaden illegal: Das Petersburger Stadtparlament hat sie per Gesetz untersagt. Das Stadtparlament ist demokratisch gewählt, und in Umfragen spricht sich eine grosse Mehrheit der Bürger für das Gesetz aus. Diese demokratische Willensäusserung ist m.E. unbedingt zu respektieren. Alles andere führt zu antidemokratischen, diktatorischen Verhältnissen.

  • B
    Bla

    Wenn das mal nicht nur dazu dient, möglichst viele verhaften zu können ...