■ Gastkommentar: Koalition als Null-Lösung
Aus dem vorsichtigen Sondieren eventueller Gemeinsamkeiten ist unversehens eine Rennstrecke in die Ampelkoalition geworden. Was niemanden überraschen sollte – schließlich treibt alle Koalitionäre der stärkste Drang in die Umarmung: Erhalt und Gewinn von Regierungsämtern. Vor allem in der Biographie der Neulinge im Senat bedeutet das den wichtigsten Wendepunkt, wie eigene Erfahrung gelehrt hat. Allzu Menschliches darf darum nicht mit Häme betrachtet werden, sondern als Fakt. Die persönliche Interessenlage ist nunmal der stärkste Treibsatz – nicht nur in der Politik. Natürlich wird in allen Regierungsverhandlungen in aller Welt zuerst über das Sachprogramm als dem Wichtigsten geredet. Die Ämterverteilung kommt später, und natürlich einigt man sich immer auf ein Sachprogramm, damit dann das Wichtigste verteilt werden kann.
In Bremen sind die Koalitionsverhandlungen besonders leicht. Nachdem am Anfang der Finanzsenator den Offenbarungseid zu niemandens Überraschung abgelegt hat, konnte die Ampelrunde erleichtert feststellen, daß man über Streitpunkte nicht zu reden braucht. Wer die Null-Lösung beim Haushalt akzeptiert, vermeidet Verteilungskämpfe. Politische Allgemeinplätze und Selbstverständlichkeiten sind das Fundament für die Bremer Ampel.
Das ist nun nicht neu. So sind legislaturperiodenlang die Regierungsprogramme entstanden. Niemand hat sie irgendwann nachgelesen. Was am Anfang gesagt wird, geht bald in den Forderungen des Tages unter. Das gilt am Ende auch für die Opposition. Niemand wird Fücks mit den Reden konfrontieren, die er mit Pathos und Schärfe im Parlament gehalten hat, als die Sozis mit Haushaltskonsolidierung, Sparzwängen, Personalabbau und Schuldenberg die grünen Vorstöße abblockten. Lustig wird es werden, wenn Senator Fücks dem Abgeordneten Nölle klarmacht, daß vor aller Politik gespart werden muß und wenn Mützelburg auf Personalversammlungen den Stellenabbau verteidigt.
Grobeckers Vorschlag, den 92er Haushalt erst Anfang 93 zu verabschieden, erleichtert die Koalitionsverhandlungen ungemein. Am gescheitesten wäre es natürlich, alle Haushalte auf einen Streich erst am Ende der Legislaturperiode zu verabschieden. Dann könnte man gleich zum Wichtigsten kommen...
Thomas Franke, Bildungssenator i.R.
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Glatze
Thomas Franke
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