Gastkommentar: Bitter und die Brücken
■ Viertelbürgermeister Robert Bücking über den Streit um die Bitter-Trasse
Im Streit um die Georg-Bitter-Trasse scheint es, als würden die Beiräte und Bürgerinitiativen nur das lokale Interesse an einem ungestörten Leben im Stadtteil vertreten, während die Befürworter im Senat und in den Koalitionsparteien das gesamtstädtische Interesse rationaler Verkehrsorganisation umtreibt.
Diese Lesart macht es sich zu einfach. Brücken verbinden nicht nur, sie trennen auch. Sie müssen große Verkehrsmengen aufnehmen und bündeln. Deshalb liegt es in der Logik des Systems, große Verkehrssammler auf möglichst kurzem Weg zur Brücke zu führen. Diese Logik beherrscht die Planung der letzten hundert Jahre.
Aber erst die Nazis machten die Pläne ohne Rücksicht auf Verluste und die Nachkriegspolitiker dann die Straßen durch die ausgebombten Viertel: Der Nordwestknoten, der den Westen der Stadt und die alten Hafenreviere von der City abschneidet, konnte realisiert werden, weil dieser Teil von Bremen 1944 ausradiert wurde. Die Bürgermeister-Smidt-Brücke und die anschließenden Straßen beruhen auf der gleichen Grundlage und besiegelten in ihrer Dimension das Siechtum des Faulenquartiers. Die Kaisenbrücke sollte auf der Nordseite direkt durch die Altstadt bis zum Bahnhof fortgeführt werden. Das hätte dem alten Stadtkern im Osten das gleiche Schicksal beschert wie im Westen. Die Idee scheiterte an einem letzten Rest Respekt vor der alten Stadtwürde. Und daran, daß die Bebauung den Krieg überstanden hatte. Für die Mozartstraße hatten nationalsozialistische Stadtplaner mit Liebe zum Detail Aufmarschpläne und Paradelinien aufgezeichnet. Aber als es in den 70ern an die Umsetzung ging, gab es genug Bürger, die die Stadt gegen diese Zerstörung verteidigten. Heute bedauern nicht einmal die leidenschaftlichsten Vertreter der autogerechten Stadt diese Niederlage.
Und die Erdbeerbrücke? Ein Blick Richtung Habenhausen und Kattenturm zeigt, wie es gedacht ist: Eine Straße aus dem gleichen Katalog wie der Nordwestknoten, die stumpf auf den Osterdeich trifft. Danach beginnt ein bißchen gewachsene Stadt. Eingeschnürt zwischen Osterdeich und Stresemannstraße und quergeteilt von der Malerstraße, beglückt durch ein paar Baumärkte, droht dem traditionsreichen Ortskern Hastedt die Luft auszugehen. Wen wundert es, daß kaum einer an einen „Entwicklungsschub“(Senator Schulte) glaubt? Und wie sähe Bremen aus, wenn die Verkehrslogik nicht gelegentlich auf den Eigensinn der Stadt und ihrer Bürger träfe? Bis jetzt ist der Kompromiß zwischen beiden Interessen nicht fair ausgehandelt. Kein Wunder, daß der Verkehrsenator in Hastedt auf wenig Gegenliebe stößt.
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