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Gastbeitrag Sicherheitskonferenz IKein Afghanistan, nirgendwo

Kolumne
von Omid Nouripour

Weltmänner und -frauen diskutieren über Großthemen der internationalen Politik. In München trifft sich die abgezockte Community der Super-Realisten.

Ja, wo ist er denn? Hillary Clinton sucht am Samstag auf der Sicherheitskonferenz nach dem Fragesteller. Bild: dpa

G laubt man den Zeitzeugen, war die Wehrkundetagung in erster Linie eine Panzer-Messe ohne Ausstellungsobjekte. Heute, im 46. Jahr, heisst das ganze nun "Sicherheitskonferenz". Und wenn hier am Rande Waffen verkauft werden, dann bekommen das Leute wie ich zumindest nicht mehr mit. Es gibt in der Tat hier sicherheitspolitische Debatten. Und je kleiner die Runde ist, in der sie stattfinden, desto mehr geht es in die Tiefe.

Die Hauptdebatten sind geprägt von Weltmännern und -frauen. UN-Generalsekretäre, Staatschefs, Fachminister von Supermächten, Weltdenker à la Henry Kissinger: Sie sind alle so hochrangig, dass es keinerlei Rolle spielt, was die Überschrift der jeweiligen Diskussion ist. Diskutiert wird, was gerade die Großthemen der internationalen Politik sind. Es ist also genauso relevant darauf zu achten, welche Themen nicht diskutiert werden.

Die Hauptthemen in diesem Jahr sind dreierlei: Wie bekommt man Russland und China dazu, Druck auf Assad aufzubauen, damit das tägliche Morden in Syrien aufhört? Iran bomben oder nicht bomben? Ist Europa noch relevant, wenn die USA sich nun in Richtung des pazifischen Raums wenden?

Bild: dpa
OMID NOURIPOUR

36 Jahre alt, ist Sprecher für Sicherheitspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Obmann im Verteidigungsausschuss. Außerdem wurde er zum stellvertretenden Koordinator des Arbeitskreises Internationales und Menschenrechte der Grünen Fraktion im Bundestag gewählt. Er ist stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen und im Haushaltsausschuss. Nouripour kam im Alter von 13 Jahren mit seiner Familie aus dem Iran nach Deutschland. Für die taz schreibt er von der diesjährigen Sicherheitskonferenz in München Gastbeiträge.

Die erste Frage beantwortet der russische Außenminister Lawrow mit einem fröstelnden "Njet". Die zweite ist surreal, weil sogar die US-Militärs betonen, dass es keine militärische Option gibt, das iranische Atomprogramm zu verhindern. Und die letzte Frage hat das halbe US-Kabinett nach Deutschland verschlagen, um den Europäern zu versprechen, dass sie ganz schön wichtig bleiben. Auch wegen der Eurokrise.

Abgezockte Community

Kein Thema ist hier Afghanistan. US-Verteidigungsminister Panetta erklärt beiläufig, dass der sogenannte Abzug der Kampftruppen nun doch wie geplant Ende 2014 und nicht ein Jahr zuvor stattfindet. Ansonsten aber scheint das Thema für die abgezockte Community der Super-Realisten in München schlicht abgefrühstückt zu sein. Es ist zu Ende. Dabei erklären die Westerwelles dieser Welt bei jeder Gelegenheit, Deutschland und die Weltgemeinschaft werden den Afghanen auch nach Abzug der Truppen fest beistehen. Aber wenn es konkret wird, wenn die Diskussion ansteht, wie konkret und in welcher Art, dann disktutiert man doch lieber "Smart Defense".

Letzteres ist eine irreführende Überschrift. Eigentlich müsste sie heißen: "Sicherheitspolitik in Zeiten leerer Kassen". Alle beschwören, dass nun vor allem Europa mehr zusammenarbeiten muss. Klingt gut. Erzählt Europa aber schon seit Jahrzehnten, ohne dass etwas passiert.

Im Übrigen gibt es dieses Jahr in München eine spannende Erneuerung. Der arabische Frühling wird nicht unter dem Motto "Stabilität" diskutiert, sondern unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte. Hauptrednerin ist die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin Tawakoll Karman. Wer diese großartige Frau kennt, weiß, dass sie eine andere, deutlich klarere Aussprache pflegt als die Großdiplomaten der Welt. Kompliment an den Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger. Mit Karman gibt es erstmals einen Hauch der friedenspolitischen Debatte, die die Demonstranten gegen die Sicherheitskonferenz seit Jahren zu Recht einfordern.

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1 Kommentar

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  • V
    vic

    Tawakkul Karman wird sich sicher gewundert haben, in welch selbstüberzeugten Hühnerhaufen sie da reingeraten ist.

    Schade um die verschwendete Kompetenz an diesem Ort.