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Gast-KommentarTeilweise Terror

■ Warum BosnierInnen zur Rückkehr nicht gezwungen werden dürfen

Am kommenden Wochenende will Hamburg damit beginnen, bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge abzuschieben. Vorangegangen ist eine einjährige Periode der Angstmache, die nach meinem Empfinden teilweise die Form von Terror angenommen hat. Die bosnischen Flüchtlinge werden schon seit langem aufgefordert, „freiwillig“in ihre Heimat zurückzukehren. Um der „Freiwilligkeit“Nachdruck zu verleihen, wird gleichzeitig die forcierte Abschiebung angedroht.

Außerdem wurden administrative Maßnahmen getroffen, die den Lebensraum der Flüchtlinge zunehmend einengen und den Flüchtlingen allmählich die Luft zum Atmen abdrücken. So wurden sie aufgefordert, ihre Miet- und Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Ihnen wurden nur noch kurzfristige Duldungen erteilt; jetzt zum Schluß nur noch für wenige Tage.

Den Flüchtlingen werden die Pässe abgenommen und es werden sehr kurze Fristen für die „freiwillige“Ausreise gesetzt. Aus der Sicht der Ausländerbehörde hatte diese Druckmethode auch Erfolg. So sollen in den vergangenen Monaten bereits circa 800 Personen ausgereist sein.

Die Verhältnisse in Bosnien-Herzegowina sind nach einhelliger Meinung aller Sachkenner jedoch noch lange nicht so weit, daß die Flüchtlinge „in Würde und Sicherheit in ihre Heimatorte zurückkehren können“, wie es das Friedensabkommen von Dayton vorsieht. Die Realität in Bosnien sieht so aus, daß zwar Waffenruhe hergestellt ist, sozial aber enorme Spannungen herrschen. Das Land ist praktisch dreigeteilt in die Volksgruppen der Bosniaken, der Serben und der Kroaten, die sich immer noch feindlich gegenüberstehen. Die ethnischen Mehrheiten bedämpfen die Minderheiten. Sie dulden keine Rückkehrer, wenn diese nicht der eigenen Volksgruppe angehören. Eine massive Rückkehr von Flüchtlingen nach Bosnien wird nur noch die ohnehin angespannte Lage in Bosnien verschärfen.

Ich persönlich halte die geplanten Abschiebungen nach Bosnien für unmenschlich, grausam und erniedrigend. Die Motivation für die forcierten Abschiebungen sind alles andere als humanitär. Es sind im wesentlichen finanzielle Faktoren maßgebend für diese Abschiebungen. Die Reduzierung der Flüchtlingsschicksale auf einen Kostenfaktor im Staatshaushalt ist für die Kultur unseres Gemeinwesens unerträglich und nicht akzeptabel.

Helmut Frenz

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