Gasstreit Russland - Ukraine: Die ewige Zitterpartie
Der Informationskrieg zwischen Gazprom und Naftogaz wird weitergehen - auch wenn die Russen jetzt bereit sind, wieder Gas zu liefern.
Sollte der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine mit der Entsendung internationaler Beobachter beendet werden, wie Gazprom-Chef Alexej Miller am Donnerstag in Brüssel ankündigte, würde damit der Informationskrieg zwischen den beiden Ländern noch nicht zu Ende sein.
Bereits im Dezember wurde klar, dass Russland und die Ukraine sich über den künftigen Gaspreis nicht würden einigen können. Der russische Energiekonzern Gazprom hatte von der Ukraine die sofortige Tilgung der Gasschulden in Höhe von rund 2,1 Mrd. US-Dollar verlangt und einen "Freundschaftspreis" von 250 Dollar pro 1.000 m(3) angeboten. Nachdem der staatliche ukrainische Energiekonzern Naftogaz dieses Angebot abgelehnt hatte, wurden die Verhandlungen abgebrochen. Seit dem 1. Januar liefert Gazprom kein Gas mehr an die Ukraine und wirft ihr vor, nach dem Lieferstopp aus der Transitleitung illegal Gas abzuzapfen. Um dies zu verhindern, wurden am 7. Januar auch die Transitlieferungen an europäische Länder eingestellt. Nun fordert Moskau von der Ukraine den "Marktpreis". Der liegt nach Darstellung der russischen Seite bei 418 Dollar. Einige Tage später nannte Gazprom 450 Dollar.
Die Ukrainer weisen diesen Preis zurück. Kiew habe seine Schulden bis zum Jahresende bezahlt. Überwiesen wurden knapp 1,6 Mrd. Dollar, die Forderung nach über 600 Millionen Dollar Verzugszinsen weist die Ukraine zurück. Kiew ist nicht grundsätzlich gegen die Erhöhung des Gaspreises, der zuletzt mit 179 Dollar pro 1.000 m(3) deutlich unter dem europäischen Niveau lag.
Gleichzeitig müssen entsprechend die Durchleitungsgebühren steigen, die mit 1,70 Dollar pro 1.000 m(3) und 100 Kilometer ebenfalls weit vom europäischen Durchschnitt entfernt sind. Das wurde im Oktober in einem vom russischen Premier Wladimir Putin und der ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko unterzeichneten Memorandum festgelegt. Zudem soll der Übergang zu europäischen Preisen binnen drei Jahren abgeschlossen sein.
Doch auch die Ukrainer haben in diesem Konflikt keine weiße Weste. Zwar haben sich die Schulden nur in den letzten drei Monaten des Jahres 2008 angehäuft, als Naftogaz infolge der Finanzkrise immer mehr in eine finanzielle Schieflage geriet. Doch lange Zeit hatte Kiew überhaupt bestritten, Gasschulden zu haben.
Das andere Problem ist, dass für den Gastransit ab 2006 ein anderer Vertrag gilt, der ohne russische Zustimmung nicht geändert werden kann. In diesem Vertrag sind die Durchleitungsgebühren festgelegt. Weil Kiew für die Durchleitung des russischen Gases nach Europa eine bestimmte Gasmenge braucht und diese ebenfalls in Russland kaufen muss, würde der "Freundschaftspreis" von 250 Dollar bei gleichbleibender Transitgebühr dazu führen, dass die Ukraine für den Transport draufzahlt. Dieses für die Durchleitung notwendige Gas hat das Land ab 2009 von der Liefermenge nach Europa abgezogen, um den Transit sicherzustellen, beteuert Kiew. Das sei Diebstahl, behauptet Gazprom. Sowieso entspreche der Transitpreis dem Marktniveau. Laut Experten soll der faire Transitpreis jedoch bei bis zu 5,10 Dollar liegen.
Juristisch ist die ukrainische Position wohl anfechtbar. Doch die Verhandlungen mit einer Pistole auf der Brust können kaum zum Erfolg führen. Die wirtschaftliche Vernunft spricht nicht dafür, den größten Kunden in die Pleite zu treiben.
Beobachter weisen darauf hin, dass Gazprom und der Kreml die Zuspitzung des Konflikts in Kauf genommen haben. Das politische Interesse Russlands dürfte sein, die Unzuverlässigkeit der Ukraine als Transitland anzuprangern. So könnte Moskau den Bau der Ostseepipeline vorantreiben. Auch das russische Interesse, die Ukraine innenpolitisch zu schwächen und für ihren prowestlichen Kurs zu bestrafen, dürfte eine Rolle spielen.
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