Gaspreise könnten um 40 Prozent steigen: Die Ölpreisspirale
Nachdem der Ölpreis auf 139 Dollar gestiegen ist, befürchten die G8-Minister, dass die Gaspreise nachziehen werden. Japan warnt vor einer Weltwirtschaftskrise.
"Anormal", "Sorge", "Schock": Nachdem der Ölpreis am Freitag zeitweise die 139-Dollar-Marke überschritten hatte, versuchten die G-8-Energieminister und ihre Kollegen aus China, Indien und Südkorea bei ihrem Treffen am Wochenende im japanischen Aomori erst gar nicht erst, die Sache schönzureden. Im Gegenteil: "Die Lage wird extrem schwierig", sagte der japanische Energieminister Akira Amari und warnte vor einer Krise der Weltwirtschaft.
Wenn Erdöl teurer wird, werden auch Düngemittel, Treibstoff, Heizöl, in weiterer Folge Nahrungsmittel und Gebrauchswaren, von der Zahnpasta bis zum Papier, teurer - und auch Erdgas: Die Gaspreise sind nämlich an die Ölpreise gekoppelt; etwa sechs Monate nach einer Ölpreiserhöhung ziehen die Gaspreise nach. Das geht auf die Preisbindungspolitik der 1960er-Jahre zurück. Damals war in Deutschland die Gasinfrastruktur aufgebaut worden. Die Koppelung sollte Lieferanten wie Kunden garantieren, nicht schlechter gestellt zu sein als mit Erdöl. Doch mittlerweile sieht die Bundesregierung diese Koppelung als "nicht mehr zeitgemäß" an. Bei Ölpreisen, die auf derart hohem Niveau schwanken, rechnet Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) damit, dass die Gaspreise im Herbst um weitere 40 Prozent steigen könnten. "Die Bundesregierung sollte prüfen, ob sie in Abstimmung mit der Europäischen Union eine Strategie zur Entkoppelung erarbeitet", sagte Müller der Welt am Sonntag.
Den Ausschlag für den jüngsten Preisanstieg hatten vor allem geo- und wirtschaftspolitische Aussagen gegeben: So hatte der israelische Vizeregierungschef Schaul Mofas am Freitag erklärt: "Wenn der Iran sein Programm zur Entwicklung einer Atombombe fortsetzt, werden wir angreifen." Ebenso ließ die Erklärung des Chefs der Europäischen Notenbank, Jean-Claude Trichet, die Zinsen im Euroraum anheben zu wollen, Investoren aus dem anhaltend schwachen Dollar gehen. Doch hinter der jüngsten Ölpreisexplosion stecken auch jene, die bislang in Erwartung hoher Renditen große Summen in bestimmte Märkte investierten und somit die Preise hochtreiben: zur Jahrtausendwende die Internetbranche, dann die Immobilienmärkte und jetzt eben die Rohstoffmärkte.
Der US-Energieminister Samuel Bodman ortet die Hauptursache ganz woanders: "Die Nachfrage nimmt zu, weil viele Nationen Öl immer noch subventionieren." Allerdings sagte Hemant Krishnan Singh, ein Vertreter des indischen Ölministeriums, bei dem G-8-Treffen: "Wir als Schwellenland sind nicht in der Lage, die Subventionen komplett aufzugeben." Es sei unrealistisch, Maßnahmen abzuschaffen, die dafür da seien, 1,1 Milliarden Menschen zu helfen. Das sieht Südkoreas Regierung ähnlich: Sie kündigte am Sonntag an, für die kommenden zwölf Monate umgerechnet 6,5 Milliarden Euro bereitzustellen. Das soll Einkommensschwachen helfen, sich Benzin leisten zu können.
Die staatlichen Subventionen müssten aufhören, forderten unbeeindruckt die Energieminister Japans sowie der USA. Bodman ließ dabei unerwähnt, dass es in den USA kaum Steuern auf Treibstoff gibt - was freilich auch nicht dazu beiträgt, die Nachfrage nach Benzin zu senken.
Fest steht für den Minister aber auch, dass "Ausmaß und Breite der Investitionen überall in der Welt" erhöht werden müssen". So sollten nicht nur mehr Gelder in Ölförderanlagen fließen, sondern auch mehr in erneuerbare Energien - ein Aspekt, der bei den großen Energiekonzernen nicht gerade Gegenliebe findet: "Die alternativen Energien können die Probleme in den kommenden zehn Jahren nicht lösen", meinte etwa BP-Vorstandschef Tony Hayward. In "Monaten oder selbst ein oder zwei Jahren" könnten die heutigen Probleme ohnehin nicht gelöst werden, räumte denn auch der US-Energieminister ein.
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