piwik no script img

Gaspreisdeckel in Spanien und PortugalDie iberische Ausnahme

Seit Juni haben Spanien und Portugal einen Gaspreisdeckel. Die Iberische Halbinsel ist, was Energie angeht, weitgehend vom Rest-Kontinent abgeschottet.

Enagas-Terminal für verflüssigtes Erdgas (LNG) in Barcelona Foto: Albert Gea/reuters

Madrid taz | Während in Deutschland lange debattiert wurde, wie die Preissteigerung bei der Energieversorgung zumindest teilweise aufgefangen werden könnte, hatten längst Spanien und Portugal beim Strom einen Weg gefunden, den Preis zu deckeln. Beide Länder haben seit Mitte Juni den Preis für Elektrizität, die mit Gas erzeugt wird, gedeckelt. „Iberische Ausnahme“ heißt diese Regelung, die Madrid und Lissabon Brüssel abgerungen haben.

Der Grund, dass die EU-Kommission dieses Ausscheren aus den europäischen Marktrichtlinien erlaubte: Die Iberische Halbinsel ist was Energie angeht weitgehend vom restlichen Kontinent abgeschottet. Denn nur wenige Leitungen führen über die Pyrenäen nach Frankreich und erlauben so einen Austausch mit dem restlichen Europa. Portugal und Spanien sind über eine Strompreisbörse verbunden.

Der Mechanismus des Deckels ist einfach: Der Strom aus Gas wird pro Megawattstunde (MWh) auf 40 Euro festgeschrieben. Dies steigt Monat für Monat in Fünf-Euro-Schritten bis auf 70 Euro. Damit wird erreicht, dass der Strom insgesamt billiger bleibt. Denn der Preis für Elektrizität an den Strompreisbörsen legt sich wie folgt fest: Das letzte benötigte Kilowatt bestimmt den gesamten Preis. Alle Technologien, egal wie teuer die Gestehungskosten tatsächlich sind, kassieren dann diesen Betrag. So auch die Erneuerbaren, die 53 Prozent der Kapazität zur Stromerzeugung in Spanien ausmachen und üblicherweise mit Gestehungskosten von Null Euro in die Versteigerung eingehen, oder längst abgeschriebene AKWs, die ebenfalls nahe Null rund ein Fünftel des Stromes in Spanien produzieren.

Das letzte Kilowatt kommt üblicherweise aus Kraftwerken, die Erdgas verheizen. Wird deren Einspeisebetrag gedeckelt, geht der ganze Strompreis zurück. Natürlich muss jemand für das aufkommen, was den Gaskraftwerksbetreibern dadurch entgeht. Das ist natürlich der Endverbraucher. Auf ihn wird die Differenz zwischen Deckel und tatsächliche Preis umgelegt. Doch da Gas nur einen Teil der Stromproduktion ausmacht, kommt dies immer noch deutlich billiger.

Über den Sommer hinweg war – so die Regierung – war der Großhandelspreis für Strom rund 37 Prozent billiger als ohne Deckel. Mit den Mehrkosten der Energieerzeuger, die Gas benutzen, umgelegt ist der Strom für den Endverbraucher immer noch rund 22 Prozent billiger, als ohne Strompreisdeckel. Anfang der Woche lag der Großhandelspreis bei rund 110 Euro die MWh. Vor einem Jahr waren es weniger als 50 Euro.

Neben dem gestiegenen Gaspreis ist auch die anhaltende Trockenheit für den Preisanstieg verantwortlich. Denn die Stauseen auf der Iberischen Halbinsel sind leer, die Wasserkraftwerke stehen weitgehend still. Dies und der gestiegene Stromexport Richtung Frankreich, führt dazu, dass trotz hoher Gaspreise der Gasverbrauch der spanischen Stromerzeugung in den letzten Monaten um rund 83 Prozent stieg. Frankreich sitzt wie Spanien auf dem Trockenen und außerdem steht die Hälfte der AKWs dort wegen Wartung still.

Jetzt sollen auch gekoppelte Wärmekraftwerke in die Deckelregelung eingerechnet werden. Es handelt sich dabei um Kraftwerke, die in großen Industriebetrieben mit der für die Produktion notwendigen, beziehungsweise entstandene Wärme Strom erzeugen. Auch sie nutzen Gas. Sánchez erhofft sich, dass rund 400 Industriebetriebe, die ihre Produktion heruntergefahren oder gar ganz eingestellt haben, wieder normal funktionieren werden. Es geht dabei energieintensive Produktionen, wie etwas die Papier-, Keramik- oder Backsteinindustrie. Von der Neuregelung sind 20 Prozent des industriellen Bruttoinlandsproduktes und 200.000 Arbeitsplätze betroffen. In Portugal werden diese Art Betriebe bereits seit Beginn in die Deckelung eingerechnet.

Rechtzeitig zum Winter senkt die Regierung die Mehrheitssteuer auf Erdgas von 21 auf 5 Prozent. Die über 7 Million en Haushalte, die den regulierten – alle drei Monate von der Regierung festgelegten Tarif unter Vertrag haben – sparen damit um die 100 Euro pro Jahr ein. Sie geben damit – so die Verbraucherverbände – im Schnitt dann jährlich 677 statt 789 Euro aus. Natürlich nur solange der Gaspreis nicht weiter steigt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!