: Gasgenossen heizen ein
Zunehmend geraten Stadtwerke in NRW unter Druck von „Gasrebellen“. Deren Aktionsrepertoire reicht von Zahlungsboykott über Sammelklagen bis zur Planung einer Energiegenossenschaft
VON BERND SCHÄFER
Auf die Stadtwerke in Bochum ist Elke B. gerade gar nicht gut zu sprechen. Gerade erst hatten diese in der Lokalpresse vollmundig Preissenkungen verkünden lassen, doch nur fünf Tage später erhielt die junge Frau ihre Jahresabrechnung – mit dem Bescheid, zukünftig nun 19 Prozent mehr an Abschlägen bezahlen zu sollen.
Diesmal sei die Erhöhung nur ein Versehen gewesen, hat der zuständige Sachbearbeiter versucht, sie zu beruhigen: Man habe bei der Formeleingabe in die Software irrtümlich den neuen Mehrwertsteuersatz auf die Bruttopreise draufgeschlagen, erklärte er das „menschliche Versagen“. Sauer ist die Kauffrau trotzdem. Denn sie hat nachgerechnet: Trotz massiver Energieeinsparungen musste sie in den vergangenen drei Jahren Preiserhöhungen von insgesamt 30 Prozent beim Strom und 55 Prozent beim Gas je Kilowattstunde hinnehmen.
Mit ihrem Unmut steht Elke B. nicht allein. Aus gutem Grund: In verschiedenen bundesweiten Rankinglisten, die in den vergangenen Wochen veröffentlicht wurden, fanden sich – bei Preisunterschieden von bis zu 60 Prozent – die großen Ruhrgebietsstädte sowie Düsseldorf und Köln im oberen Drittel der Preisskala wieder. Gegen die etlichen Betroffenen als willkürlich erscheinende Preispolitik der Energieversorger haben sich mittlerweile in mehreren Städten des Landes Initiativen gebildet. So haben in Essen über 160 Menschen eine Sammelklage gegen die dortigen Stadtwerke beim Landgericht eingereicht (siehe Interview). Anlass: Der Essener Versorger hatte seine Gaspreise in den vergangenen zwei Jahren um rund 49 Prozent erhöht, obwohl das Unternehmen seit Jahren kräftige Gewinne macht – alleine 2005 stolze 20 Millionen Euro vor Steuern. Ziel der Klage ist nun die Offenlegung der Kalkulation.
Einen anderen Weg geht man in Ratingen. Die hiesigen Stadtwerke hätten seit 2004 die Gaspreise um 96 Prozent steigen lassen, empört sich Leonora Holling. Die Rechtsanwältin ist Sprecherin der Initiative „Gaspreisboykott“. Und diese plant gemeinsam mit anderen Bürgerinitiativen aus der Region eine Energiegenossenschaft zu gründen, um künftig selber Gas zu verkaufen.
Die älteste Bürgerinitiative in NRW gegen hohe Energiepreise hat ihren Sitz in Paderborn. Sie entstand aus dem Bürgerbegehren gegen die Privatisierung der Stadtwerke. „Da wurden uns Synergieeffekte versprochen, die wir nicht geglaubt haben“, erklärt Roswitha Köllner von der Initiative. Und tatsächlich, kurz nach der letzten Kommunalwahl 2004 wurden die Preise erhöht. „Wir wollen nicht für die Taschen der Aktionäre zahlen“, so Köllner. Die „Gasrebellin“ sieht in dem Beispiel der nahe gelegenen Gemeinde Lippstadt, wo der gleiche Energielieferant, die Firma Eon, die Kilowattstunden rund 15 Prozent günstiger anbietet, „ein Zeichen dafür, dass da noch Luft drin ist“.
Während die Basisinitiativen auf Zahlungsboykott, Prozesse und Eigeninitiative setzen, suchen die Grünen eine politische Lösung über die Liberalisierung des Marktes. Sie fordern, das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Unbundling – die Trennung von Stromnetz und -erzeugung – entsprechend auch auf die Gasversorgung auszuweiten. Damit stehen sie jedoch im Widerspruch zur schwarz-gelben Landesregierung. Erst kürzlich hat Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) nochmal öffentlich erklärt, dass er die EU-Entflechtungspläne rundheraus ablehne und sich voll auf die Seite der Stromkonzerne stelle. Die Regierung wolle deren geplante „gigantische Investitionen“ von acht Milliarden Euro nicht gefährden.
Der grüne Landtagsfraktions-Vize Reiner Priggen entgegnet: „Es geht ja nicht darum, die Energieversorgungsnetze zu verstaatlichen, sondern Wettbewerb zu ermöglichen.“ Als Vorbild sieht er die Niederlande, wo nach dem Unbundling die Preise qualitativ sanken. „Gleichzeitig muss man aber auch den Stadtwerken auf die Finger gucken und die müssen ihre Kalkulationen offen legen“, so Priggen zur taz.
Elke B. hat sich jedenfalls jetzt entschieden, erstmal den Stromlieferanten zu wechseln. Einer aus dem norddeutschen Raum wird es nun wohl werden. Der liegt zwar auch auf dem Preisniveau der Bochumer Stadtwerke, setzt aber als Stromquellen Wasser, Biomasse und regenerative Energien ein. „Keine CO2-Emissionen, kein radioaktiver Abfall: wenigstens ein Lichtblick“, findet die umweltbewusste Frau.