Garnisonkirche in Potsdam: Klamme Kirchenstiftung, große Pläne
Auf den umstrittenen Turm der Garnisonkirche wollen nicht genug Besucher klettern. Die Betreiber fordern nun noch mehr Steuergeld.
Ob man daran glaubt oder nicht, die Bibel hält für so einige Situationen Gleichnisse bereit. „Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen?“, heißt es beispielsweise im Lukasevangelium Kapitel 14. Auch aus kaufmännischer Sicht erscheint das vernünftig.
In Potsdam ist in den vergangenen Jahren der Turm der Garnisonkirche nachgebaut worden. Ganz fertig ist man noch nicht. Es fehlt noch die Turmspitze. Doch ein gutes Jahr nach der Eröffnung des Baus tut sich ein finanzielles Problem auf: Die Einnahmen aus dem Betrieb reichen nicht, um einen Kredit der Evangelischen Kirche zurückzuzahlen.
Eigentlich hatten die Bauherren gehofft, dass die Aussichtsplattform in 57 Metern Höhe zum Publikumsmagneten wird. 12 Euro werden ohne Ermäßigung fällig. Dafür steigt man nicht nur dem Himmel entgegen, sondern auch an den Ziegeln mit den Namen der Spender vorbei – Angela Merkel zum Beispiel.
Doch am Eingang bilden sich keine Schlangen. Seit der Eröffnung des Turms Ende August 2024 habe man nur knapp mehr als 45.000 Besucher gezählt, in diesem Jahr bisher knapp 30.000, räumte Vorstand Peter Leinemann im November laut Potsdamer Neuesten Nachrichten ein. Erwartet habe man für 2025 aber 60.000 Gäste. Vor dem Baustart hatte ein Stiftungssprecher sogar mal eine noch höhere Zahl als Ziel genannt.
Der Hitler-Hindenburg-Händedruck
Da die Tickets die Haupteinnahmequelle sind, dürfte das mangelnde öffentliche Interesse am Turmbesuch der Hauptgrund für die anhaltenden Finanzprobleme der Stiftung Garnisonskirche sein. Kritiker sehen sich bestätigt. In einer Mitteilung des Alternativ-Lernorts Garnisonkirche hieß es, die Stiftung sei faktisch pleite. Schon vor drei Jahren habe man vor einem dauerhaften Defizit von über einer halben Million Euro im Jahr für die Stiftung durch den Betrieb des Turms gewarnt.
Das Original der preußischen Militärkirche, vor dem sich Hitler und Hindenburg anlässlich der Reichstagseröffnung 1933 die Hände schüttelten, ist bei einem alliierten Bombenangriff im April 1945 zerstört worden. Die Reste des Turms ließ die SED 1968 sprengen. Der Wiederaufbau ist in der Stadt ein polarisierendes Thema – wegen der Geschichte des Baus, aber auch, weil der Turm ein weithin sichtbares Zeichen der Rebarockisierung der Innenstadt darstellt.
Bereits im Frühjahr war bekannt geworden, dass die Stiftung ihre Kirchenkredite erst zu einem späteren Zeitpunkt bezahlen und zugleich von der Landeskirche dauerhaft gefördert werden möchte. Wie die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Ekbo) mitteilte, zahle die Stiftung ein Darlehen der Landeskirche von 3,25 Millionen Euro nicht fristgerecht zurück. Auf Bitten der Stiftung habe die Landeskirche die Rückzahlung bis Ende April 2025 gestundet. Die Kreditzusage war vor rund zehn Jahren gemeinsam mit den gesammelten Spenden eine wichtige Voraussetzung, um Fördermittel einwerben zu können.
Dabei war die Stiftung dann sehr erfolgreich. Der Garnisonkirchturm wird seit 2017 gebaut. Mehr als die Hälfte der deutlich über 40 Millionen Euro liegenden Baukosten werden vom Bund finanziert. Die Förderung eines Sakralbaus aus Mitteln der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ist in Deutschland einzigartig.
Die Stiftung will mehr Geld
Nun fleht die Stiftung nach weiteren öffentlichen Geldern. Dem Vernehmen nach soll es um 300.000 bis 500.000 Euro jährlich gehen. Erneut soll der Kulturstaatsminister die Schleusen öffnen – inzwischen bekleidet dieses Amt Wolfram Weimer, der auch mal längere Zeit in Potsdam gelebt hat. In der Stiftung hofft man auf eine Grundfinanzierung, die Stadt, Land und Bund gemeinsam bereitstellen.
Bei der Landeskirche selbst hatte die Stiftung zuvor einen Korb bekommen. Der Garnisonkirchenstiftung sei mit „klarer Deutlichkeit“ gesagt worden, dass die in diesem Jahr gewährten Mittel von bis zu 950.000 Euro aus dem kirchlichen Krisenfonds die letzte Zuwendung sein müssten, hatte Bischof Christian Stäblein bei der Herbsttagung der Landessynode in Berlin gesagt. Erforderlich seien ein Betriebskonzept für den 2024 eröffneten Turm, das sich selbst finanziere – oder eine „Exitstrategie“. Stäblein selbst sitzt qua Amt im Kuratorium der Stiftung.
Aus der Stadtkasse dürfte auch nichts zu holen sein. Über die Jahre gab es mehrere Stadtverordnetenbeschlüsse gegen eine finanzielle Beteiligung und im Jahr 2013 sogar ein erfolgreiches Bürgerbegehren. Zudem steht die Stadt nach einigen fetten Jahren derzeit vor einer Haushaltskrise und muss einen zweistelligen Millionenbeitrag einsparen. Kämmerer Burkhard Exner (SPD) hat eine Förderung des Garnisonkirchturms schon mal ausgeschlossen.
Ganz fertig ist der Turm ohnehin nicht. Seit dem Sommer wird an der Turmhaube gearbeitet. Im Jahr 2026 soll sie neben dem Turm zusammengesetzt werden und anschließend mit einem Kran auf den Turmstumpf gehoben werden. Das Geld dafür kommt laut Stiftung aus zweckgebundenen Bundes- und Spendengeldern.
Hoffnung für das benachbarte Kreativhaus
Die Puristen des Wiederaufbaus hatten bereits im Sommer eine schlechte Nachricht erhalten. Für ein mögliches Kirchenschiff wird die Stiftung Garnisonkirche nämlich kein Geld vom Bund erhalten. Das ging aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Potsdamer Bundestagsabgeordneten Isabelle Vandre (Linke) hervor. „Die Bereitstellung weiterer Bundesmittel, insbesondere für den Bau eines Kirchenschiffs, ist nicht vorgesehen“, hieß es darin.
Letzteres verschafft auch den Fürsprecher:innen für einen Erhalt des benachbarten Kreativhauses Luft. In das ehemalige Verwaltungsgebäude eines Rechenzentrums aus den 1970er-Jahren waren 2015 mehr als 200 Künstler und Kreative eingezogen. Sie haben dort ihre Arbeitsräume, es finden auch Veranstaltungen statt. Eigentlich handelte es sich um ein Provisorium, mit dem der Mangel an geeigneten Räumen überbrückt werden sollte. Doch der Bau steht zum Teil auf einem Grundstück der Wiederaufbaustiftung und sollte eigentlich für den Wiederaufbau des Kirchenschiffs weichen.
Nun forciert die Stadtpolitik jedoch den Erhalt. Nach Beschluss der Stadtverordneten soll der Bebauungsplan für das Areal geändert werden. Während der gültige Plan bislang den vollständigen Abriss des Rechenzentrums vorsieht, soll jetzt ein teilweiser Erhalt möglich werden. Angestrebt wird ein Sonderbau für eine kulturelle, soziokreative und gemeinnützige Nutzung.
Anschließend müssten noch die Sanierungsziele geändert werden, denn der Standort befindet sich in einem Sanierungsgebiet. Allerdings gibt es ein paar Bedingungen. Eine davon ist, dass die Wiederaufbaustimmung der Weiternutzung ihres Grundstücks zustimmen müsste. Der Ausgang ist bisher offen. Eine andere Bedingung ist ein Konzept für die Sanierung des Kreativhauses und die nötige Finanzierung. Denn jahrelang hatte der städtische Sanierungsträger in Erwartung des Abrisses kaum in das Haus investiert.
Im Sommer hatten die Nutzer ihr Konzept vorgelegt. Es sieht eine schrittweise Modernisierung vor, die teilweise aus höheren Mieten und teilweise durch eigene Arbeitsleistung getragen werden soll. Ein von der Stadt beauftragtes Gutachten hatte zuletzt keine ausreichende finanzielle Basis attestiert. Im neuen Jahr sollen die Stadtverordneten erneut beraten.
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