NORMALE SCHIEBEREIEN : Ganove verpfeift Gauner
ANDREAS RÜTTENAUER
Novo Panic ist raus. Er darf nicht mehr pfeifen. Die Uefa hat den bosnischen Schiedsrichter vor gut einem Jahr lebenslang gesperrt. Die Schieber, die ihm mehrere 10.000 Euro dafür gezahlt haben sollen, damit er dafür sorgt, dass in der zweiten Halbzeit des WM-Qualifikationsspiel Liechtenstein gegen Finnland zwei Tore fallen, müssen sich seit Montag in Bochum vor Gericht verantworten. 1:1 ist das Spiel damals ausgegangen. Ein Elfmeterpfiff für Finnland wurde heftig diskutiert. Beide Tore fielen nach der Pause. Auftrag erfüllt.
Mehrere 10.000 Euro. Wenn er nur annähernd so viel Geld für seine Schiebereien erhalten hätte, würde Martin Eder seine Freizeit, von der er viel zu viel hat, vielleicht nicht im Düsseldorfer Café Endlich verbringen. Sein Absturz vom angesehen Einwohner einer Rheingemeinde südlich von Koblenz zum Billig-Gigolo und Kaschemmensprücheklopfer („Es lebe die Liebe, der Wein und der Suff, der uneheliche Beischlaf, der Papst und der Puff“) wäre zumindest ein wenig gebremst worden. Martin Eder ist einer jener meist dreckigen und ziemlich traurigen Figuren, die der 2008 verstorbene Schriftsteller Hans Dieter Baroth in seinem Roman „Cafe Endlich“ beschreibt. Viel erzählt er seinen Flaschenbierfreunden nicht über sich und seine Vergangenheit als ehrenwerter Bürger – wahrscheinlich weil diese gar nicht so ehrenwert war. Denn Martin Eder war Fußballschiedsrichter. Ein normaler. Einer, den man vor dem Spiel schon mal fragen kann, ob er nicht etwas Bestimmtes sehen oder übersehen würde. Bis in die fünfte Liga hat er gepfiffen.
Und weil er immer ein wenig mehr Geld brauchte, als er im Büro einer Fleischwarenfabrik verdiente, hat Martin Eder des Öfteren zugesagt, dass er etwas machen würde. Bescheißen wollte er jedoch nie. Und so sagte er Manipulationen nur zu, wenn er von beiden Mannschaften kassiert hat, um dann nach besten Wissen und Gewissen zu pfeifen. Funktioniert hat das nur, wenn Mannschaften aus dem oberen Drittel gegeneinander gespielt haben beziehungsweise welche aus dem Keller der Tabelle: „Die aus dem Mittelfeld verkauften ihre Punkte direkt an den Gegner, weil sie die nicht mehr benötigten“, heißt es im Roman so lapidar, als sei Manipulation in den unteren Ligen das Normalste der Welt.
Kann ein Schönschreiber darüber urteilen? Hans Dieter Baroth kann es. Sein Buch „Jungens, euch gehört der Himmel. Die Geschichte der Oberliga West 1947–1963“ darf getrost als fußballhistorisches Standardwerk bezeichnet werden. Auch dem Thema Schiedsrichter hat er sich darin gewidmet. So ist ihm aufgefallen, dass in der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit besonders viele Schiedsrichter aus Oberhausen gekommen sind. Zwei von ihnen, Günther „Teddy“ Ternieden und Hans-Joachim Weyland, pfiffen auch international mit dem Fifa-Wappen auf der Brust. Baroth hat all das dokumentiert. Wenn so einer einen Schiedsrichter zur Romanfigur macht, kann man sich zumindest vorstellen, dass wirklich passiert ist, was der Autor sich ausgedacht hat.
Romanschiedsrichter Martin Eder jedenfalls fliegt irgendwann auf. Er wurde beim Verbandsschiedsrichter angezeigt – von einem Klub, der für den Sieg gezahlt und dann doch verloren hat. Dabei war sich Eder so sicher, dass Gauner keine Ganoven verpfeifen. „Skandal: Schiedsrichter pfiff als Bestochener“, schrieb die Lokalpresse, und Martin Eder musste ein neues Leben beginnen. Darauf ein Alt im Café Endlich und runtergespült! Ganz normale Schiebereien interessieren eh nicht mehr. Heute geht es in Bochum wieder um das ganz große Ding. Zu groß für Martin Eder. Mit Wettmanipulationen hatte der wahrlich nichts zu tun.