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Gagfah will 38.000 Wohnungen verkaufenMonopoly in Dresden

6 Jahre nach dem spektakulären Kauf von kommunalen Dresdner Wohnungen will der Immobilienkonzern diese offenbar verkaufen. Linkspartei und SPD sind wütend.

Bunt und umstritten: Gagfah-Wohnhaus in Dresden. Bild: dpa

DRESDEN taz | Nur sechs Wochen nach einem Vergleich zwischen der Stadt Dresden und dem Immobilienkonzern Gagfah sind dessen ehemals städtische Woba-Wohnungen erneut in den Schlagzeilen. Die Gagfah wolle sämtliche in ihrem Besitz verbliebenen 37.850 Dresdner Wohnungen veräußern, berichtete die Financial Times Deutschland.

Grund sind offenbar anhaltende Zahlungsschwierigkeiten. Bis 2013 würden Verbindlichkeiten von 3,2 Milliarden Euro gegenüber den Hausbanken fällig, heißt es. Der zweitgrößte deutsche Immobilienriese würde sich damit von einem Drittel seines Wohnungsbestandes trennen.

In einer spektakulären und bis heute umstrittenen Aktion hatte Dresden 2006 alle 48.000 kommunalen Woba-Wohnungen an die Gagfah verkauft. Mit dem Nettoerlös von rund einer Milliarde Euro konnte sich die Stadt zumindest vorübergehend entschulden. Bei Mietern wuchs allerdings schnell der Unmut. Knapp 10.000 Wohnungen veräußerte die Gagfah bereits weiter.

Bei den übrigen reizte sie Mieterhöhungsspielräume voll aus, vernachlässigte aber die Bestandspflege. Im Frühjahr 2011 klagte die Stadt gegen den Konzern, weil er beim Weiterverkauf Bestimmungen der vereinbarten Sozialcharta nicht weitergereicht hatte. Nach einer Gegenklage schlossen beide Seiten im März einen Vergleich.

Gagfah-Sprecherin Bettina Benner wollte der taz die Verkaufsabsicht nicht eindeutig bestätigen. Für ein Unternehmen, das Wohnungen bewirtschafte, kaufe und verkaufe, sei „ein Verkauf immer eine mögliche Option“. Diese werde geprüft, „aber mehr ist das im Moment nicht“, so die Sprecherin. Sie bekräftigte aber, dass ein Käufer sämtliche Anhänge und Verpflichtungen aus dem Vertrag mit der Stadt Dresden übernehmen müsse, also auch die Sozialcharta, die zumindest ältere Mieter teilweise schützt und der Stadt Belegungsrechte sichert.

Juristische umstritten

Ein Punkt dieses Vertrags könnte aber für neuen Zündstoff sorgen. Die Gagfah hatte sich verpflichtet, bis 2016 mindestens 35.000 Wohneinheiten in ihrem Bestand zu halten. Dagegen würde sie nach Auffassung von André Schollbach, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Linksfraktion im Stadtrat, bei einem Komplettweiterverkauf verstoßen. Ansonsten müsste der Stadtrat dem Deal zustimmen und die Verträge entsprechend ändern.

„Es gibt keine Klausel, die den Verkauf des kompletten Portfolios untersagt“, behauptet hingegen Gagfah-Sprecherin Benner. Dass dabei nochmals Geld für die Stadt herausspringen könne, sei ein von einigen Medien verbreiteter Irrtum.

Sowohl Linke als auch SPD im Stadtrat kommentieren den beabsichtigten Verkauf als „Wohnungsmonopoly“. Schollbach sieht gar „die schlimmsten Befürchtungen von 2006 bestätigt“. Bei jedem Weiterverkauf werde angesichts undurchsichtiger Verträge die Kontrolle der Sozialcharta schwieriger, sagte SPD-Fraktionschef Peter Lames. Die SPD brachte den Wiederaufbau eines kommunalen Wohnungsbestandes ins Gespräch.

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6 Kommentare

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  • JK
    Juergen K.

    Wie viele dieser Wohnungen wurden durch "Hartz4 und Wohngeld" refinanziert ?

     

    Also praktisch: "Der Kaufpreis zurückerstattet?"

     

    Im Ruhrgebiet sollen sich schon "JobCenter und Mietervereine" GEGEN Miethaie zusammenschliessen.

     

    (Quelle: http://www.derwesten.de/staedte/essen/mehr-schutz-vor-miethaien-id6622886.html)

     

     

    Hier wird im Artikel hingewiesen,

    Zitat: "Dass ausgerechnet die Wohnungen, für die die Kommune Monat für Monat Unsummen überweist, tatsächlich jeden Cent wert sein sollen, ist wenig wahrscheinlich."

     

    das praktisch die Mietsubstanz den Wert der Mietzahlung nicht hergeben.

     

     

    UNVERGESSEN ist hier die Aktion RUETTGERS, der, waren es 70 000 oder 100 000,

     

    Wohnungen der LEG -der Monitor berichtete zum Durchschnittspreis von 7 000 Euro pro Wohnung-

     

    "verkaufte".

     

    Hier ist offensichtlich, dass es sich um minderwertige Mietmasse handeln muss,

     

    die kaum von der "Oberschicht bewohnt wird",

     

    die JobCenter offensichtlich für deren Mieter

     

    die Miete -also den Kaufpreis- rückerstatten.

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

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  • V2
    VDBR 2006

    Ich habe doch kürzlich - durch "Zufall" auf www.wissensmanufaktur.com gelesen was "Privatisierung" bedeutet. Das kommt vom lateinischen "privare" und das heißt nix anderes als "berauben, bestehlen" !!! Na was sagen die Privatisierungsfreunde jetzt ??? Ja die "Privaten" ( Räuber, Diebe ) könnens besser, als da sind : lügen, betrügen, bestehlen und berauben !!! ARMES DEUTSCHLAND !!! Lieber eine mittelmäßige Regierung MIT Regulierung als diese "Hunnenhorden"...

  • Y
    yberg

    wenn die GAGFAH schon 10 000 wohnungen verkloppt hat,im schnitt sagen wir mal zu 70 riesen,sind schon mal 70 % der barkomponente des kaufpreises zurückgeflossenen,die restlichen 750 millionen waren lediglich hypothekenübernahmen.

     

    man kann ruhig davon ausgehen,daß in der zwischenzeit die wohnugsbestände bis zum first beliehen sind und ein großteil der buchgewinne,die von der BAFIN zwischenzeitlich zusammengestrichen wurden,aus dem unternehmen gezogen wurden.

     

    dies wird auch der grund sein ,warum die banken nicht geräuschlos die finanzierungen verlängern,die trauen nämlich nun der werthaltigkeit der immobilien nicht mehr

     

    wenn die GAGFAH jetzt noch ihre mindestens 1,5 milliarden kaufpreis einstreichen sollte,bleiben aus der spekulation schlapp 500 millionen übrig.

     

    der gedanke ,daß die mieter in dresden dem alt und neu investor darüber hinaus seit jahren und in zukunft über höhere mieten ein zweites mal die entstehung bzw.den kaufpreis der wohnungen entrichten ,dämmert nun auch den politrisch verantwortlichen,ihre eigene dämlichkeit.

     

    die schmierige öffentliche hand schafft nach dem erbfall die meisten millionäre

  • C
    Chris

    Sowas kommt von sowas

     

    Diese Entwicklung war bereits in 2006 für jeden halbwegs denkenden Menschen absehbar. Die damalige Argumentation, mit dem Verkauf würde Dresden über Nacht schuldenfrei und somit die Veräußerung der Wohnungsbestände sozial gerecht, spottete jeder Beschreibung.

     

    Es ist ja nicht so, dass dies ein einmaliger Vorgang war und die dresdener Politiker über Nacht den Stein der Weisen entdeckt hatten: Öffentliches Eigentum verkaufen, über die Erlöse sich sehr kurzfristig mit dem Einmaleffekt "sanieren" und mittelfristig wieder verschulden z.B. über teures Leasing, garantierte Gewinne etc. ist hinlänglich bekannt. Der stets gleiche Kreislauf aller dieser Geschäftsmodelle ist seit Jahrzehnten zu beobachten.

     

    Wer dennoch den ewig falschen Träumen nachhängt, die Stolpersteine und sozialen wie ökonomischen Pferdefüsse nie sehen will/kann ist entweder dumm wie Schiffszwieback, ignorant bis Anschlag oder einfach berechnend, um eigene Vorteile zu mehren. Staatsanwaltschaft bitte übernehmen! Diese Suppe werden allein die "Mieter", die Dresdner und eben die einfachen Steuerzahler aubaden.

     

    DANKE FÜR GAR NICHTS! Und da wundert man sich über Politikverdrossenheit. Wie süß...

  • A
    Abrissbirne

    Es wäre schön, wenn Herr Bartsch auch auf den Abriss von Gagfah-Wohnungen unterstützt durch öffentliche Gelder eingehen würde. Da gabs dann quasi ein bissl Geld zurück von Vater Staat an Rotzgöre Gagfah...

  • DQ
    Der Querulant

    Und das hat vorher selbstverständlich niemand gewußt. :-)))