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Gänzlich uninspiriert

Mäßiges Verdi-Gedenken an der Staatsoper mit „Un Ballo in Maschera“  ■ Von Dagmar Penzlin

Man kann den Opern von Giuseppe Verdi vieles nachsagen, aber bestimmt nicht, dass sie langweilig sind. Gerade Un ballo in maschera gehört zu den aufregendsten Werken des Italieners. Dass eine Aufführung dieses Stücks trotzdem zum Gähnen animieren kann, beweist die gänzlich uninspirierte Neuinszenierung von Alexander Schulin an der Staatsoper. Ähnlich spannungslos verliert sich Dirigent Massimo Zanetti in übermäßiger Weichzeichnerei.

Auch stimmlich blieben am Premierenabend viele Wünsche offen. Im Zentrum von Verdis Un ballo in maschera steht die unmögliche Liebe zwischen dem schwedischen König Gustav III. und Amelia, der Frau seines besten Freundes René. Nachdem die verbotene Leidenschaft offenbar geworden ist, ersticht der vermeintlich gehörnte Ehemann den König während eines Maskenballs. Die Geschichte greift auf einen historisch verbürgten Fall zurück. Uraufgeführt 1859, überrascht diese Oper mit einem Mix aus verschiedensten Stilen: Vor allem Elemente der Grand Opéra und der Offenbachiade verbinden sich mit dem italienischen Melodramma. Heraus kam dabei eine Partitur, die von kühnen Kontrasten und Vielschichtigkeit lebt. Mit keinem Takt zuviel entfaltet Verdi hier das Drama einer Amour fou.

Recht eindimensional und umständlich ging hingegen Regisseur Schulin zur Sache. Wohl ahnend, dass seine Personenführung ziemlich bescheiden ausfallen würde, inszenierte er die Handlung als Rückblick des Königs. So tritt dieser noch vor Ende der Ouvertüre auf und wankt zu einem Blutfleck auf dem Boden. Das passiert noch ein paar Mal und erweist sich als völlig überflüssig, weil es keine neuen Erkenntnisse beschert. Ansonsten verbreitet diese Neuinszenierung über weite Strecken den matten Charme einer mittelmäßigen konzertanten Aufführung: Die Sänger stehen meistens 'rum und starren zum Dirigenten, während im Hintergrund die Holzfassaden ebenso unmotiviert hin- und herfahren.

Am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters wünscht man sich von Zanetti einen beherzteren Zugriff. Gleich die Ouvertüre geriet zur Premiere recht verhalten. Abgesehen davon, dass der Chor zu Beginn des ersten Bildes davonzurasen drohte, behielt der junge Italiener die Zügel überwiegend in der Hand. Warum er aber immer wieder zu derart zerdehnten Tempi neigt wie im Mittelteil des großen Liebesduetts, bleibt unklar. Überhaupt dieses Duett im zweiten Akt: Hier offenbaren sich die eklatanten Schwächen der beiden Hauptdarsteller besonders deutlich. Vor allem Stephanie Friede als Amelia wirkt vollkommen überfordert. Ihr wenig fokussierter Sopran verfügt über keine freie Höhe, und die Intonation lässt insgesamt zu wünschen übrig. Ihre stimmlichen Schwächen versucht die Sängerin mit Ausdruck wettzumachen. Doch das reicht nicht.

Walter Fraccaro als unglücklich verliebter König ermüdet seine Zuhörer mit larmoyantem Dauergenäsel. Wie begrenzt auch seine Möglichkeiten hinsichtlich stimmlicher Expansion sind, verrät spätestens der Höhepunkt des Duetts, der hier zum Schatten seiner selbst wird. Zanetti muss das Fortissimo stark ausbremsen, damit die beiden So-listen durchdringen. Die Krise des Verdi-Gesangs, hier wird sie in all ihrer Not deutlich.

Als Hoffnungsschimmer erscheint da Vassily Gerello in der Rolle des René: Sein in allen Lagen wohlklingender Bariton lässt aufhorchen, weiß er doch auch Klangfarben gezielt einzusetzen. Den Ton schmerzlicher Süße etwa hörte man am Premierenabend nur in Renés Rachearie. Pluspunkte sammeln konnte auch Hellen Kwon als kecker Page Oscar mit blitzenden Koloraturen. Die Neuproduktion von Un ballo in maschera hat die Staatsoper als Beitrag zum Verdi-Jahr 2001 auf den Spielplan gesetzt, schließlich gedenkt die Musikwelt allerorten seines 100. Todestages. Überall tut man das, so gut wie eben möglich. In Hamburg sollte man das allerdings besser können.

Weitere Vorstellungen: 11., 15.,18., 21., 24., 27., 29. April, alle 19.30 Uhr, Staatsoper

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