Gäfgen-Anwalt Heuchemer: "Wichtiges präventives Signal"

Warum er Kindsmörder Gäfgen vertritt? Er höre "immer wieder", dass Verdächtige beim Polizeiverhör gequält würden, erklärt Anwalt Michael Heuchemer im taz-Interview.

Rechtsanwalt Michael Heuchemer und sein Mandant Magnus Gäfgen im Landgericht in Frankfurt am Main. Bild: dpa

taz: Herr Heuchemer, das Landgericht Frankfurt hat Ihrem Mandanten Magnus Gäfgen 3.000 Euro Entschädigung wegen der polizeilichen Folterdrohung zugesprochen - höhere Forderungen wurden aber abgelehnt. Sehen Sie das Urteil als Erfolg?

Michael Heuchemer: Im Kern ist es jedenfalls ein wichtiges präventiv wirkendes Signal, dass Folter und ihre Androhung von der deutschen Rechtsordnung missbilligt wird. Wichtig ist auch, dass ein Straftäter wie Magnus Gäfgen dieses Urteil erstreiten konnte. Es stellte sich ja die Frage, ob die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz wirklich gilt.

Ist es nicht peinlich, dass sich Gäfgen mit solchen Prozessen immer wieder als Opfer stilisiert?

35, ist Rechtsanwalt in Bendorf (Rheinland-Pfalz). Er vertritt den Kindsmörder Magnus Gäfgen, dem 2002 die Polizei im Verhör Folter angedroht hatte.

Nein, ich halte fest, dass sich auch das Gericht uns im Kern angeschlossen hat. Ich finde es vielmehr rechtsstaatlich bedenklich, wenn ein Polizeigewerkschafter sagt, Herr Gäfgen solle sich in seiner Zelle verkriechen und schweigen. Dies zeigt, dass die zentrale Botschaft des Urteils - dass auch einer, der verurteilt wurde, im Rechtsstaat seine Rechte behält - bei manchen nicht angekommen ist.

Dass Folter verboten ist, hat das Landgericht Frankfurt schon im Strafprozess gegen die beiden beteiligten Polizisten Daschner und Ennigkeit festgestellt. Warum war dazu noch eine Schadensersatzklage nötig?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Juni letzten Jahres Deutschland dafür kritisiert, dass Herr Daschner ausgesprochen milde bestraft wurde. Er erhielt nur eine Geldstrafe, die die damaligen Richter zudem auf Bewährung ausgesetzt haben. Dies sei keine ausreichende Reaktion auf eine menschenunwürdige Behandlung. Da das Urteil gegen Herrn Daschner aber rechtskräftig war, musste die Missbilligung in Form einer Entschädigung erstritten werden.

Sie haben mindestens 10.000 Euro Schmerzensgeld gefordert. Hätte nicht ein symbolischer Euro genügt?

Wenn wir keine relevante Summe gefordert hätten, wäre die Klage wohl abgelehnt worden, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Es ging uns aber nie um die Höhe der Entschädigung.

Das Landgericht hat Herrn Gäfgen 80 Prozent der Prozesskosten aufgebrummt. Wird ihm von den 3.000 Euro Entschädigung überhaupt etwas bleiben?

Das kann ich noch nicht sagen. Die komplizierten Fragen der Prozesskosten überlasse ich den Spezialisten auf diesem Gebiet.

Geht Gäfgen in Berufung?

Ich konnte noch nicht mit ihm sprechen. Er ist ja inhaftiert, da ist so ein Gespräch nicht so einfach. Das Gericht hat aber ein wichtiges Symbol gesetzt, das sicher im Sinne seiner Klage ist.

Sie wollten mit dem Prozess auch herausfinden, welche Unterstützung Daschner in der hessischen Landesregierung hat. Ist das gelungen?

Nur teilweise. Früher sagte Herr Daschner, er habe grünes Licht aus dem Innenministerium erhalten. Jetzt hat Herr Daschner angegeben, der damalige Präsident des Landeskriminalamts, Norbert Nedela, habe ihn zur Gewaltdrohung ermuntert. Das Kriminalamt ist aber nicht Teil des Innenministeriums. Das passt noch nicht zusammen.

Wie typisch ist der Fall Gäfgen? Haben sich bei Ihnen auch andere Betroffene gemeldet?

Immer wieder werde ich mit bestürzenden Schilderungen von Mandanten konfrontiert: Sie seien beim Verhör mit dem Kopf auf die Tischplatte geschlagen worden. Man habe ihnen düster gedroht, dass man ohne Geständnis "für nichts garantieren könne". Auch höre ich, dass mit U-Haft gedroht wird, obwohl keine Haftgründe wie Fluchtgefahr vorliegen.

Was raten Sie dann?

Selbst wenn ich die Aussage des Mandanten für glaubhaft halte, empfehle ich ihm in der Regel, nicht gegen die Polizisten vorzugehen. Wenn er den Vor- wurf nicht beweisen kann, droht ihm schnell ein zusätzliches Strafverfahren wegen Verleumdung oder falscher Verdächtigung. Es gibt eben - anders als bei Magnus Gäfgen - meist keinen Vermerk der Polizei über den Vorfall.

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