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Gabriele PauliEhe soll nur sieben Jahre dauern

Die chancenlose Anwärterin auf den CSU-Vorsitz stellt ihr Programm vor und zeigt sich innovativ: Nach sieben Jahren soll man seine Ehe auffrischen müssen - wie eine Tetanus-Impfung.

Glossenmaterial oder ernsthafte Politik?: Frau Pauli. Bild: dpa

MÜNCHEN taz Kann man das ernsthaft vermelden, oder passt das nur in einer Glosse? Das fragten sich Journalisten, nachdem die CSU-Politikerin Gabriele Pauli am Mittwoch Nachmittag in München ihr Programm vorgestellt hat. Von mehr Bürgernähe hatte die Fränkin gesprochen, von Familiensplitting und mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger. Alles recht radikale Forderun- gen für CSU-Verhältnisse - aber im gewohnten politischen Rahmen.

Dann aber legte Pauli ihre Vorstellung von Ehe und Familie dar: "Mein Vorschlag ist, dass Ehen nach sieben Jahren auslaufen." Nach Ablauf der Zeit sollten Ehen automatisch beendet werden - es sei denn, beide Partner verlängern sie aktiv. "Eine Ehe ist nicht dazu da, Sicherheit zu bieten, sondern um Liebe zu bezeugen", so Pauli, die selbst zweimal geschieden ist und eine volljährige Tochter hat.

Drei Dutzend Journalisten waren angereist, um der Frau zuzuhören, die eigentlich chancenlos ist in ihrer Partei. Am übernächsten Wochenende will sie Vorsitzende der bayerischen Christsozialen werden, genau wie Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer und Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber. Ob sie allerdings mit ihren radikalen Partnerschaftsvorstellungen gepunktet hat, ist fraglich. In der CSU dominiert ein auf der Ehe basierendes Familienbild. Alleinerziehende oder gar gleichgeschlechtliche Partnerschaften stoßen vor allem bei den Hinterland-Parteigängern immer noch auf Skepsis.

Pauli scheint sich dessen bewusst zu sein. Von ihren Siegeschancen auf dem CSU-Parteitag wollte sie erst gar nicht sprechen. Es gebe "verdeckte Hinweise" auf Sympathisanten innerhalb der Partei, sagte sie. "Es geht nicht darum, zu gewinnen, sondern darum, zu sagen, was man für richtig hält", ist ihr Ausgangspunkt beim Parteitag. Ihre Bewerbung dort um den Vorsitz sehe sie auch nicht als Wettkampf, sondern als Gelegenheit, Inhalte einzubringen.

Ganz anders Topfavorit Erwin Huber. Der verzichtete bisher beinahe komplett auf ein Programm. Stattdessen tingelt er durchs Bayernland und dessen zahllose CSU-Untergliederungen. Der abgeschlagene Horst Seehofer hat immerhin einige Eckpunkte genannt: Er will die CSU sozialer und chancengerechter machen.

Auch Gabi Pauli hatte sich bislang in die relative Inhaltsleere eingereiht. Umso überraschender ist, dass sie nun ein recht konkretes 10-Seiten-Programm einbringt. Die entscheidende Frage für die Menschen sei: "Wie finde ich zu mir?", so Pauli. Die Politik müsse darauf Antworten finden, das bestehende Programm sei dazu nicht geeignet. "Im CSU-Programm wird der Mensch als unvollkommen dargestellt, dabei hat er doch viele Begabungen und Talente", sagte Pauli. Neben der materiellen Unterstützung für die Menschen lohne auch die Unterstützung des Selbstwertgefühls.

Überhaupt: Es wirkt, als ob Gabriele Paul sich selbst und ihr Leben aufgeschrieben hat in ihrem Parteiprogramm. Sie spricht vom Weg zu sich selbst, diskutiert über neue Familienformen, betont das Selbstwertgefühl und vermengt dies mit einem Schuss religiöser Spiritualität. "Der Mensch ist ein Geschöpf Gottes und trägt alle göttliche Kraft in sich", sagt Pauli.

Interessant ist das allemal. Und ein bisschen mehr als eine Glosse. MAX HÄGLER

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12 Kommentare

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  • A
    Andreas

    Was hätte Gabriele Paulis Vorschlag wohl ins Rollen gebracht, wenn erstens Frau Pauli Herr Pauli hieße? Wenn Herr Pauli zweitens (oder besser erstens) nicht Mitglied der CSU wäre, wenn Herr Pauli beipielsweise ein renommierter, sachlich auftretender und bisher untadeliger Professor der Politikwissenschaft (möglichst im grauen Zwirn), der Theologie oder der Sozialwissenschaften wäre?

     

    Auch dann hätten ihm/ihr nicht sämtliche Geister deutscher Provenienz zugejubelt, aber - und dessen bin ich mir sicher - selbst die Gegner eines solchen Vorschlags hätten nachgedacht. Zumindest hätten sich diese Köpfe weitaus mehr mit der Suche nach sachlichen Argumenten befasst, anstatt lediglich - wie jetzt geschehen - verbale Munition zu sammeln, um damit auf eine ?Verrückte? zu schießen.

  • M
    Monika

    Dann könnte man alle 7 Jahre die Verlängerung der Ehe feiern und hätte einen Anlass, zur Neu-Hochzeit beide Familienteile auf einmal einzuladen. So man sich dafür entscheidet.

     

    Find ich eigentlich ganz schön, die Vorstellung.

  • TN
    tut nix zur Sach

    Frau Pauli ist als Gegenwartsmensch politisch ihrer Zeit voraus, wohl leider nicht nur in Bayern. Wenn ich einige Kommentare hier lese frag ich mich, welches Jahrhundert wir eigentlich schreiben.

     

    Zum Thema selbst... Sehr interessanter Gedanke. Das Paar wuerde sich beizeiten mit seiner Trennung ernsthaft auseinandersetzen muessen. In meinem Umfeld kenne ich einige geschiedene und keine wirklich gluecklichen Ehen. Viele leben eine Luege.

     

    Man sollte sich oefter durch kluge Kabarettisten inspirieren lassen.

  • RS
    Rainer Schäfers

    Welcher Politiker gibt heute noch wirklich streitbare interessante Gedanken von sich?

     

    Von Dr. Geißler mal abgesehen. (Der ist ja auch Penisionär)

     

    Kaum jemand weil es in diesen Machstrukturen halt gefährlich ist, für das eigene Überleben.

  • P
    Petra

    Schade, dass Frau Pauli ihre eigenen Erfahrungen, Verletzungen, Versagen zur Parteipolitik erheben will. Sollte sich besser bei den Grünen bewerben. Zum Profil der CSU oder CDU passt dieser Ansatz jedenfalls nicht. Im Durchschnitt stände Frau dann nach 7 Jahren Erst-Ehe mit 2 kleinen Kindern da (ca. 3 u. 5 Jahre jung). Ein Ehebund fürs Leben entspricht zwar - wegen der Beziehungsunfährigkeit vieler Menschen - nicht mehr der Mehrheit, gibt aber immer wieder Motivation, nicht bei jedem Konflikt einfach davonzulaufen, sondern ständig an der Beziehung zu arbeiten und gibt auch einer Frau (insbesondere mit kleinen Kindern oder im Alter) eine gewisse Sicherheit. Und den Kindern auch. Petra (verheiratet seit 19 Jahren).

  • GS
    Günther Schultz

    Welche wirren Vorschläge werden wohl noch von solch kranken Köpfen gemacht. Unsere Gesellschaft entfernt sich immer mehr von Gott und den 10 Geboten und kehrt das Ganze um. Chaos, Orientierungsloskeit, Gesetzlosigkeit und Perversion werden gesellschaftsfähig. Das Gute von Gott Gegebene wird abgelehnt und verlacht. Nur weiter so! Die schlechte Saat beginnt aufzugehen. Weiter so Deutschland. Was der Mensch sät, dass wird der ernten.

  • MW
    Marcel Werr

    Pauli, einzig erfrischend blinkender Stern am dimmen deutschen Politikfirmament.

  • GK
    Graf K.

    Es ist ja nicht so, dass ich einer "Ehe auf Zeit" sonderlich viel abgewinnen kann. Ich weiß auch nicht, ob ich mir Frau Pauli in einer verantwortlichen Rolle - etwa als Ministerpräsidentin - wünschen würde. Aber ich finde es erfrischend, dass es Politiker gibt, die es wagen, um die Ecke zu denken und auch unkonventionelle Meinungen zu äußern, ohne Rücksicht darauf, ob ihnen das Wählerstimmen sichert. Besser als dumpfe System-Zahnräder, die keine eigenen Gedanken mehr haben. Weiter so! Wir bräuchten mehr Paulis in diesem Land!

  • D
    Domas

    Und sie dreht sich doch. Ich schlaf besser, seitdem ich "Faschismus und Neofaschismus" von Reinhard Opitz gelesen habe.

    Frau Pauli find ich schon wegen ihres Namens gut und diese blauweiße Demokratie mit Passau und den Heimatvertriebenen, der Demetergesellschaft, den Jüngern Rudolf Steiners und den segenreichen Verquickungen der Adenauer, Strauß und Stoiber Familien hat man das Gefühl, Das Weißwurst, FC Bayern und Ludwig der II. nicht alles sind.

    Ja und Wagner und der Bayrische Staat sind eine Ehre für Deutschland.

  • BS
    Bernd Sonnenmann

    Endlich mal eine realistische, lebensechte und volksnahe Programmatik! Ich habe mir das auch immer so gedacht, dass eine Ehe eine Lebensabschnittspartnerschaft ist, mit unbürokratischer Trennungs- oder Verlängerungsoption. Protest gegen Frau Paulis positive Inititative aus der schwarzen Ecke wird zum Glück die gleiche Schwäche haben wie jedes bloße Dagegensein: Auch im Nein-Sagen lässt man sich auf das abgelehnte Objekt ein und propagiert und fördert es dadurch. Deshalb wird Frau Pauli früher oder später, auf dem einen oder anderen Weg, mit dem gesetzlichen Konzept der befristeten Ehe Erfolg haben.

  • W
    Werner

    Ich habe im Fernsehen Teile der Pressekonferenz gesehen - zum ersten Mal Frau Pauli live - und da kam sie aber doch etwas wirr rüber! Das klang wie ein kleines Schulmädchen und nicht wie eine Politikerin, meilenweit entfernt von der Powerfrau, wie sie in den Medien dargestellt wird.

  • J
    Janus

    Ich finde diesen Vorschlag gut. An das heutige "Bis zum Tod..." hält sich doch sowieso keiner mehr. Nicht falsch verstehen - mir ist die Komik des Vorschlages bewusst, aber das man darüber lacht kommt doch eher aus kultureller Prägung nicht weil der Vorschlag an sich bescheuert ist.