Gabriele Lesser über den fortschreitenden Demokratieabbau in Polen: Und Brüssel tut nichts
Hunderttausende Polen demonstrierten in den letzten Monaten gegen den Demokratieabbau in ihrem Land. Statt das Wahlversprechen einzulösen, aus dem angeblich vorgefundenen „Polen in Ruinen“ einen blühenden, modernen Staat zu machen, griff die nationalpopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) massiv in die Arbeitsweise des Verfassungsgerichts ein. Dem Staatsfernsehen TVP steht ein PiS-Politiker vor, der sich selbst als „Bullterrier von Jarosław Kaczyński“ bezeichnet. Kaczyński ist als PiS-Vorsitzender offiziell nur ein einfacher Abgeordneter, inoffiziell laufen aber alle Fäden im Staat bei ihm zusammen.
Mit dem Protest dagegen könnte es nun bald vorbei sein. Bisher reagierten Kaczyński und seine PiS-Anhänger mit geradezu aufreizendem Hohn auf die Antiregierungsdemonstrationen: „Seht her, wie demokratisch wir sind! Alle dürfen demonstrieren!“ Und doch müssen die ständigen Demonstrationen des „Komitees zur Verteidigung der Demokratie“, die schwarzen Märsche der Frauen gegen das totale Abtreibungsverbot und die Proteste gegen die Abschaffung der Mittelschule an den Nerven der PiS-Politiker gezerrt haben.
Kurzerhand hat die PiS nun mit ihrer Stimmenmehrheit im Parlament die Demonstrationsfreiheit der Staatsbürger eingeschränkt – zugunsten des Staates, also der eigenen Partei, derkatholischen Kirche und religiöser Vereinigungen. Dieses Gesetz verletzt ganz klar die Verfassung Polens und die Grundrechtecharta der Europäischen Union. Doch den Verfassungsrichtern Polens sind längst die Hände gebunden. Und die Europäische Union hat zwar ein Rechtsstaatsverfahren gegen das Land eingeleitet, tut in Wirklichkeit aber nichts, um die Demokratie in Polen zu retten.
Dieses Nichtstun ist wohl die größte Enttäuschung für die einst so EU-begeisterten Polen. Die meisten hatten tatsächlich an gemeinsame europäische Werte geglaubt. Damit ist es jetzt vorbei.
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