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GUATEMALA IST WEITERHIN WEIT VON EINEM RECHTSSTAAT ENTFERNTReich oder in Lebensgefahr

Das Urteil ist für guatemaltekische Verhältnisse sensationell: Der Mord an dem Weihbischof und Menschenrechtler Juan Gerardi sei politisch motiviert gewesen und „mit der Hilfe des Staats von staatlichen Angestellten begangen worden“. Drei Militärs und ein Priester wurden verurteilt. Die Richter, die dieses Urteil am vergangenen Freitag sprachen, müssen nun selbst fürchten, Opfer eines politischen Mordes zu werden. Denn Richter stehen in Guatemala vor der Wahl, reich zu werden oder sich in Lebensgefahr zu begeben.

Die meisten ziehen erstere Variante vor. Sie lassen sich von den Angeklagten bestechen und sprechen sie frei. Die Folgen sind fatal. Kein Guatemalteke hat mehr Vertrauen in die Gerichte. Die Fälle von Lynchjustiz häufen sich. Auch der Fall Gerardi sollte auf die guatemaltekische Art gelöst werden. Zunächst suchte man alle möglichen anderen Sündenböcke. Ein Alkoholiker, ein Drogenhändler, selbst ein kranker deutscher Schäferhund wurden als mögliche Mörder gehandelt. Bloß nicht die noch immer mächtigen Militärs. Als die dann doch verdächtigt wurden, schaltete sich der damalige Präsident Alvaro Arzú ein und bot einen Handel an: Wenn man seine beiden Leibwächter und den Exchef des militärischen Geheimdiensts in Ruhe lasse, würde er auf die Verfolgung des oppositionellen Priesters Mario Orantes verzichten. Doch Gerardi-Nachfolger Mario Ríos Montt machte nicht mit. Er wollte die Militärs vor Gericht sehen. Selbst wenn ihn das einen seiner Leute kosten würde.

Öffentlich hat sich Arzú stets für die „lückenlose Aufklärung“ des Bischofsmords eingesetzt. Als Zeuge vor Gericht hätte er nun selbst etwas dafür tun können. Stattdessen aber zog es der Expräsident vor, auf seine Immunität hinzuweisen und zu schweigen. So weiß man auch nach dem Urteil nicht, wer den Mord in Auftrag gegeben hat. Das Gericht ordnete weitere Ermittlungen an. Seit Watergate werden in solchen Fälle zwei klassische Fragen gestellt: Was wusste der Präsident? Und wann wusste er es? Solange diese beiden Fragen nicht beantwortet sind, ist Guatemala weiterhin weit von einem Rechtsstaat entfernt. TONI KEPPLER

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