GLOBALISIERUNG MAL ANDERSRUM: DIE DEUTSCHEN FLUGKAPITÄNE STREIKEN: Piloten ist nichts verboten
Nicht immer ist die Globalisierung schlecht für den deutschen Arbeitnehmer. Es kann auch andersherum laufen: Um ihre Forderung nach mehr Gehalt zu begründen, bemühen jetzt die Piloten der Lufthansa den internationalen Vergleich. Demnach verdienen deutsche Flugzeugführer weniger als die Flugkapitäne der Air France, der niederländischen KLM, der Swissair oder der British Airways. Und wenn man sich die hoch bezahlten US-amerikanischen Flugkapitäne anschaut, fliegt der deutsche Pilot erst recht hinterher.
Dass jetzt aus internationalen Gehaltslisten zitiert wird, um einen deutschen Arbeitskampf zu rechtfertigen, ist neu im hiesigen Streikwesen. Sonst liegen die Dinge immer umgekehrt: Die Gewerkschaft ruft zum Streik auf, und die Arbeitgeber entgegnen, dass die Löhne des deutschen Facharbeiters im internationalen Vergleich sowieso schon viel zu hoch seien. Der Streik der Lufthansa-Piloten ist also kein gewöhnlicher Arbeitskampf, im Gegenteil: Die Flugzeugführer nutzen das historisch hart erkämpfte Mittel des Streiks, um wirtschaftliche Interessen einer Beschäftigtengruppe durchzusetzen, die keineswegs zu den Schwachen gehört. Ein erfahrener Lufthansa-Kapitän verdient brutto über 300.000 Mark im Jahr und lebt so – auch mit Familie – ohnehin schon im Einkommenssegment der Reichen, ob mit oder ohne die geforderte Gehaltserhöhung von bis zu 30 Prozent.
Nun könnte man argumentieren, dass sich ohnehin immer breitere Bevölkerungsgruppen des Mittels des Streiks bedienen. Wenn auch die Ärzte ihre Praxen schließen, dann dürfe auch Piloten nichts verboten sein. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit des Streiks nicht nur von jenen in Anspruch genommen werden sollte, die im binnenländischen Vergleich tatsächlich benachteiligt und auf kollektive Kampfmittel angewiesen sind. Deutsche Piloten sind nicht nur wohlhabend, sie könnten zumindest im Einzelfall auch zu einer ausländischen Fluglinie wechseln, um ein höheres Gehalt zu erringen. Ein Metallfacharbeiter hat diese Möglichkeit im Normalfall nicht.
Der Pilotenstreik berührt also eine Frage der politischen Moral: Können auch die Stärkeren sich der Mittel der Schwachen bedienen, nur um ihre ureigenen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen? Oder sollten die Starken nicht damit aufhören, sich jetzt auch noch als Schwache zu gerieren? Mit dem deutschen Pilotenstreik, so viel ist klar, verflüchtigt sich die politische Moral. Ein Stückchen mehr. BARBARA DRIBBUSCH
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