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GEW fordert bessere Betreuung für Jugendliche

■ Die Gewerkschaft kritisiert, daß Ursachen der Jugendkriminalität nicht diskutiert werden

Bonn (dpa) – Angesichts der anwachsenden Jugendkriminalität und der deutlichen Zunahme von Ladendiebstählen hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für eine bessere Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schulen plädiert. Wenn die Jugendkriminalität in einem Jahr um 14 Prozent, Ladendiebstahlsdelikte sogar um fast 20 Prozent anstiegen, „dann läuft etwas falsch im Lande“, sagte die GEW-Vorsitzende Eva-Maria Stange gestern.

Die Schule dürfe nicht mehr länger nur Vormittagsbetrieb sein. Das Ganztagsschulangebot müsse ausgeweitet und der Schulunterricht insgesamt durch Betreuungs- und Freizeitangebote oder Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag ergänzt werden, sagte Stange. Jugendliche sollten in Zukunft die Schule nicht mehr ohne Abschluß verlassen dürfen. Bisher liegt der Anteil bei den Schulabängern eines Jahrgangs je nach Bundesland zwischen acht und zehn Prozent.

Im kommenden Bundestagswahlkampf drehe sich die Debatte um die Innere Sicherheit zu einseitig um die Bekämpfung der Kriminalität. Dabei würden vor allem die Ursachen der wachsenden Jugendkriminalität vernachlässigt. Die GEW-Vorsitzende verwies darauf, daß in Deutschland gegenwärtig eine Million Kinder von der Sozialhilfe leben müßten. Bei Kindern aus sozialschwachen Familien würden doppelt so häufig Sprachstörungen festgestellt wie bei ihren Alterskameraden aus „normalen“ Familien und sechsmal so häufig Überweisungen in Sonderschulen erfolgen.

Neuere Umfragen belegten, daß 19 Prozent der Schüler über kein eigenes Taschengeld verfügten, ebenfalls 19 Prozent könnten sich keine schulischen Arbeitsmittel und Bücher kaufen. Elf Prozent müßten bei Klassenfahrten zu Hause bleiben. Diese Kinderarmut sei aber nur die eine Seite. Gleichzeitig hätten die Konsumgüterindustrie und die Werbung den vermögenderen Teil der sechs- bis 13jährigen als die „reinsten Goldesel“ entdeckt.

Die GEW veranstaltet ab übermorgen in Nürnberg ihren dritten Jugendhilfekongreß. Dabei wollen Wissenschaftler und Sozialpädagogen Konzepte für eine bessere Jugendhilfe diskutieren.

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